Die Herrin von Sainte Claire
wälzte sich auf ihrem harten Strohlager hin und her – oder war es etwa ein Versprechen in seinen Augen gewesen, als er sie gewarnt hatte, es sei für sie an der Zeit zu lernen, was es hieße, eine Frau zu sein?
Rorik und Sihtric saßen auf der breiten Sitzbank vor der Feuerstelle, die beinahe die ganze Wand zwischen dem großen Saal und der Kapelle einnahm. Die Beine ausgestreckt vor dem Feuer, neben ihnen ein Tablett mit dampfendem Fleisch, Brot und getrockneten Früchten. Sie hatten das Abendessen versäumt, und nun, nachdem sie einen kalten Tag im Sattel verbracht hatten, waren sie froh, vor dem Feuer sitzen zu können, um die Kälte in ihren Knochen zu vertreiben.
Roriks Ärger steigerte sich von Tag zu Tag, den er auf dieser modrigen Burg verbrachte. Er hatte nicht die Zeit, sich mit aufsässigen Bauern und der Verteidigung einer ramponierten Burg herumzuschlagen. Er brauchte seine Kräfte für seinen Angriff für die Eroberung von Brix im Frühjahr. Doch konnte er seiner Verantwortung für Ste. Claire nicht aus dem Weg gehen; zudem brauchte er die Menschen von Ste. Claire hinter sich, um seinen Auftrag zu erfüllen. Zum Teufel mit Sir Geoffrey, mußte er jetzt sterben und diese bockige, hitzköpfige Tochter an seiner Stelle hinterlassen!
Noch niemals hatte er vor solch einem Dilemma gestanden. Die Menschen, die ihm je gedient hatten, ob Ritter, Soldat, Leibeigener, waren ihm stets voller Respekt gegenübergetreten. Hingegen in den Dörfern von Ste. Claire – so viel Starrsinn hatte er noch nie erlebt! Außer einigen ängstlichen Seelen weigerten sie sich, seine Herrschaft anzuerkennen. Allerdings argwöhnte er, daß sollte irgendein Feind auftauchen, sie sehr wohl schutzsuchend hinter seine Mauern fliehen würden. Dann nämlich würden sie es ihm überlassen, den Feind mit dem Schwert zu vertreiben. Das Dilemma hielt an. Und es wurde eher täglich schlimmer.
Rorik zweifelte nicht über die Ursache seiner Schwierigkeiten. Es war der stumme Schatten eines Mädchens, das jedes Mal, wenn es in den Saal trat, seinen Blick anzog. Sogar jetzt spürte er seinen wachsamen Blick auf sich ruhen, während es frische Krüge mit Bier kredenzte. Als es innehielt, um die Krüge vor ihnen hinzustellen, durchdrang er es mit seinen Augen. Es zuckte ein klein wenig zusammen, ehe es ihn, wie stets zuvor, haßerfüllt anstarrte.
Sihtric beobachtete, wie Rorik Alaine gedankenverloren nachblickte, als sie durch den Saal in Richtung Küche verschwand.
»Die Frauensperson ist ein hochnäsiges Geschöpf«, bemerkte er leichthin.
»Das ist sie«, stimmte ihm Rorik scheinbar gleichmütig zu, wobei er auf die Stelle starrte, wo sie eben verschwunden war.
»Du gehst zu nachsichtig mit dem Mädchen um. Es stolziert in der Burg herum, als gehöre sie ihm. Keiner der Männer wagt es, es zu berühren, aus Angst vor deinem Zorn, was ich nicht verstehen kann. Sicherlich würde es dich amüsieren, wenn man es ein- oder zweimal aufs Kreuz legen würde.« Mit wissenden Blick beäugte er Rorik, dessen dichte, gerade Brauen sich zusammenzogen. »Wenn du das Weib nicht für dich selbst haben willst, warum läßt du dann deine Männer sich nicht an ihr vergnügen? Schließlich ist sie nichts weiter als eine Rebellin.«
Rorik blickte mürrisch auf seinen Freund. »Sie ist nichts für die Baracken und für die Ritter ebensowenig. Sie ist ein Edelfräulein, auch wenn ich sie unters Gesinde geschickt habe.«
Sihtric lachte stillvergnügt. Es belustigte und erleichterte ihn zugleich, daß Rorik wegen einer Jungfrau im Netz zappelte. Nun konnte er wieder Hoffnung für den jungen Mann schöpfen.
»Die Nacht ist kalt.« Er grinste voll List. »Ein warmes Frauenzimmer im Bett täte gut.«
»Ja.« Rorik lächelte, er wußte, worauf sein hünenhafter Freund hinauswollte. »Ein warmes Frauenzimmer täte gut heute nacht«, stimmte er zu. »Vielleicht lasse ich das Milchmädchen mit den Grübchen kommen – wie war noch ihr Name? Gerthe, glaube ich. Saubergeschrubbt ist sie eine Augenweide. Und gut gepolstert, um einen Mann bequem zu betten.«
Sihtric zog die Stirn in Falten. »Warum sich mit grober Kost zufriedengeben, wenn ein köstliches Gebäck für dich bereitsteht?« Er wies mit dem Kopf zur Tür, durch die Alaine soeben verschwunden war.
Rorik wurde ärgerlich. »Das Fräulein steht unter meinem Schutz, also brauchst du nicht in diese Kerbe zu schlagen. Übrigens würde diese da dir sämtliche Haare ausreißen, wenn du sie auch nur mit dem
Weitere Kostenlose Bücher