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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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hatte. Und plötzlich konnte sie es gar nicht schnell genug öffnen. Sie schubste Morton Black hinunter und riss das vergilbte Klebeband auf. Unter dem alten Packpapier kam eine Holzkiste zum Vorschein. Morton Black setzte sich auf den Parkettboden an der Tür und beobachtete alles mit ihren grünen Katzenaugen. Und als Elisabeth den kleinen Riegel am Deckel löste, da hob Morton Black lässig ihren alten schwarzen Katzenhintern, stellte den Schwanz auf und spazierte langsam, gemessen, ja befriedigt aus dem Raum.
    Am frühen Nachmittag, als das Frühlingslicht schon eine gewisse Kraft gewonnen hatte, die sich aber wenig auf die Temperatur auswirkte, erreichte Gregor die Darmstädter Mathildenhöhe. In deren Nähe, einer Straße, die ruhig, aber kein praller Jugendstil mehr war, stand sein Elternhaus. Das Sträßlein war gewollt schmal und daher störten die drei breiten Feuerwehrautos, die praktisch die ganze Fahrbahn einnahmen, gewaltig. Gregor parkte seinen Citroën, bewegte seine klammen Zehen in den engen Schuhen und sah zwei Feuerwehrleuten zu, die mit methodischen Bewegungen etwas an dem Löschfahrzeug und den angeschlossenen Schläuchen richteten. Es roch nach Rauch. In der Nachbarschaft brannte es. Gregor sah sich nach dem Feuer um, doch die alten Platanen versperrten ihm trotz ihres kahlen Zustands den Rundblick. Er öffnete die Tür, und die Kälte fasste ihn spitz am Nacken. Der Rauchgestank war unangenehm. Der Brandherd musste ganz in der Nähe sein. Er stieg aus und die Feuerwehrleute musterten ihn abweisend. Einer der beiden, die an dem Wagen arbeiteten, richtete sich höher auf und rief ihn an.
    »Hier ist gesperrt.«
    »Ich bin Anwohner«, sagte Gregor.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, fragte der zweite.
    »Peter-Behrens-Weg 17«, sagte Gregor. Da ließ der ihm am nächsten stehende Feuerwehrmann den Schraubenschlüssel sinken, mit dem er soeben an einer Schlauchverbindung herumgedreht hatte. Und Gregor wusste, wo es brannte.
     
    »Sie kommen also direkt aus Leipzig«, sagte die psychologische Helferin mitfühlend, als sei allein das eine Strafe.
    »Ich war beruflich dort«, antwortete Gregor, wie um ihr zu erklären, dass er da freiwillig nie hinfahren würde. »Mehr oder weniger«, fügte er genervt hinzu, dies Gespräch war albern, und er hatte nichts, absolut gar nichts gegen Leipzig. Es war nur so, dass er hier mit dieser Frau Sutter in einem engen Krankenwagen saß, Tee und Decken abgelehnt hatte und nun ihr professionelles Mitleid ertragen musste, weil er der einzige Angehörige des Opfers war und nicht einfach wieder gehen konnte, an einen Ort, wo er die Wände anbrüllen durfte.
    »Waren Sie länger dort?«, fragte Sutter, und etwas in ihrem sanften Ton sagte Gregor, dass die Frage bedeutsam war, dass sie im Geiste seinen Tagesablauf nachrechnete, weshalb auch immer. Wo sie ihn doch trösten sollte. Wenn sie einfach still und blondhaarig, wie sie war, neben ihm gesessen hätte, dann hätte sie das vielleicht auch geschafft.
    »Nur gestern«, erwiderte er. »Wie konnte in unserem Haus ein Brand ausbrechen? Das ist doch verrückt. Meine Mutter war – ist immer vorsichtig. Sie hasst offenes Feuer.« Man darf nie bei ihr rauchen, setzte er im Geiste hinzu, nicht mal in Notfällen. Er tastete nach seinen Zigaretten.
    »Hat sie geraucht?«, fragte die Helferin prompt, und ihr schmales, leicht hängendes Gesicht zog sich noch mehr nach unten. Nicht dass ich persönlich was dagegen hätte, sagte es missbilligend, das nicht, aber es ist ein Aspekt.
    »Nein«, sagte Gregor und nahm sich sein Päckchen vor.
    »Hier drin ist das verboten«, erklärte Sutter.
    Gregor packte die Kippen wieder weg und fühlte sich plötzlich ungeheuer nervös. »Sie wissen doch, was passiert ist«, fuhr er Sutter an. »Sagen Sie es mir. Was hat meine Mutter gemacht? Wie schwer ist sie verletzt? Wie ist das Feuer entstanden?« Er blickte in ihr unnachgiebig sanftes Gesicht. »Bitte.«
    Sie wiegte unschlüssig den Kopf, und Gregor dachte schon, dass er jetzt endlich Näheres erfahren würde, doch weit gefehlt: »Ich verstehe, dass Sie sich Sorgen um Ihre Mutter machen«, sagte Sutter mit etwas echter Wärme in der Stimme zum Ausgleich für die vorenthaltene Information, »aber diese Dinge möchte Hauptmann Glückert mit Ihnen besprechen.«
    Gregor erhob sich. »Wo muss ich hin?«
    Sutter packte ihn erstaunlich fest am Arm. »Er wird kommen, sowie er für Sie Zeit hat.«
    »Ich will ihn jetzt sehen«, sagte Gregor und öffnete

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