Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
Barrieren zwischen uns zu errichten! Bist du couragiert
genug, um das alles mit mir durchzuziehen? Um dich zu beweisen?«
»Um meinen Mut geht es nicht«, stieß sie unglücklich hervor, bevor er sie unterbrechen konnte. »Ich muss realistisch denken – und mich irgendwie ernähren.«
»Darauf kommt es nicht an – dein Lebensunterhalt ist völlig unwichtig. Du brauchst weder Geld noch Kleider. So was solltest du nicht zum Vorwand nehmen. Nur deine Seele zählt. Die Seele ist das Einzige, was einen Menschen ausmacht. Verstehst du’s nicht? Wenn deine Seele wachsen und gedeihen soll, statt im Mausoleum von Falcon Hill zu verkümmern, musst du etwas wagen – und der Welt den Stinkefinger zeigen!«
Wie dieser Mann reden konnte ... Zitternd verschränkte sie die Arme vor der Brust, um sich vor der Nacht und der Kälte zu schützen – vor der Bedrohung am Ende des Spielplatzes.
Aus Sams Augen schienen Funken zu sprühen. »Hör mir zu, Suzie. Wir stehen auf der Schwelle einer neuen Gesellschaft – einer ganz neuen Lebensart. Spürst du’s nicht? Die Traditionen funktionieren nicht mehr. Die Menschen wünschen sich Informationen, Kontrolle, Macht. Wenn du dir Yanks Apparat anschaust, siehst du eine Ansammlung elektronischer Teile. Aber was du wirklich erkennen müsstest, ist eine Welle – eine kleine Welle, da draußen im Meer, weit weg von der Küste. Diese winzige Welle nimmt eben erst Gestalt an. Allmählich fließt sie zum Land. Und je näher sie herankommt, desto schneller bewegt sie sich, sie schwillt an, und plötzlich erblickst du einen Wasserwall, der zum Himmel emporragt. An der Spitze glänzt eine Krone aus weißem Schaum. Rauschend rast sie auf dich zu und wird immer größer, bis sie herabzustürzen droht. Du hörst ein gewaltiges Tosen – so laut, dass du dir die Ohren zuhalten musst. Angstvoll trittst du zurück, denn du willst nicht
von der Welle überrollt werden. Immer weiter weichst du zurück – und dann merkst du’s. Ganz egal, wie schnell du davonläufst, diese gnadenlose Woge wird über deinem Kopf zusammenschlagen, über den Köpfen aller Menschen auf der Welt. Denn sie heißt Zukunft, Baby. Und Yanks Maschine wird unsere Zukunft prägen. Sobald die Welle das Ufer überspült, wird keiner von uns jemals wieder so sein wie früher.«
Die Kraft seiner Worte erfüllte sie genauso wie der Liebesakt in der letzten Nacht. Ihren ganzen Körper füllte er aus und beherrschte ihn. Die Worte umfingen sie, rissen sie mit, erschwerten ihr das Atmen. Aber trotz aller Eloquenz verstand Sam nicht, was es wirklich bedeutete, ein Wagnis einzugehen. Er hatte nichts zu verlieren, lebte in einem hässlichen kleinen Haus mit einem Elvis-Presley-Gemälde an der Wand, besaß eine Stereoanlage und eine Harley-Davidson. Wenn er zu jedem Wagnis bereit war, riskierte er nichts. Aber sie setzte alles aufs Spiel.
Er berührte sie sanft, nahm ihr Gesicht in beide Hände und strich mit seinen Daumen über ihre Wangen.
Die Welle trieb sie an die Küste, und sie empfand das hilflose Gefühl aller Frauen im Lauf der Jahrhunderte, die das Wesen der Liebe erkannt hatten – wenn man einen Mann liebte, musste man auch seine Visionen lieben, Meere und Kontinente überqueren, die eigene Familie verlassen, die Sicherheit opfern, um neue Welten zu ergründen. »Darüber – muss ich nachdenken. Morgen, wenn du arbeitest.«
»Morgen arbeite ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich gekündigt habe. Ich bin drin , Suzie. Mit Haut und Haaren.«
»Was – du hast deinen Job aufgegeben?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
»Letzte Woche. Und wie ist’s mit dir? Bist du drin oder draußen?«
»Das – weiß ich nicht.«
»Sag’s endlich.«
»Ich brauche Zeit.«
»Die hast du nicht.«
»Tu mir das nicht an, Sam. Bitte, hör auf, mich so zu bedrängen.«
»Ich will es wissen, Suzie. Jetzt. Entscheide dich. Bist du drin oder draußen?«
Sie hatte das Gefühl, sie wäre Äonen älter als er – nicht nur ein Jahr – und um ein Jahrtausend reicher an Erfahrung. Während sie sich an zahllose Tischgespräche in Falcon Hill erinnerte, sah sie Hürden, die Sam verborgen blieben, lauter Schwierigkeiten, die seine visionären Augen nicht einmal erahnten. Was sie Zeit ihres Lebens gelernt hatte, drängte sie, ihm zu erklären, sie könnte ihm nicht helfen. Und dann würde sie nach Hause zurücklaufen und ihren Vater um Verzeihung bitten.
Aber sie liebte Sam – und sie liebte den neuen Funken, den er mit
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