Die Hexe und der Herzog
Kopfschmerzen und Übelkeit geklagt und sich leidend in ihre Gemächer zurückgezogen hatte.
Sigmunds Arm schoss nach vorn, als Merwais weitersprach, als wolle er dessen Worte zerschmettern. Doch der Jurist ließ sich nicht beirren.
»Lena Schätzlin – meine Tochter?« Ein missglücktes Schnauben. »Manche Weiber in Innsbruck machen es sich da in der Tat sehr einfach! Ich kann beim besten Willen nicht für jedes ledige Balg weit und breit einstehen, wenn der Vater sich aus dem Staub gemacht hat. Von einer gewissen Els Hufeysen jedenfalls hab ich im Leben noch nie etwas gehört.«
»Vielleicht wird Eure Erinnerung frischer, Hoheit«, sagte der Jurist mit einer angedeuteten Verneigung, »wenn Ihr den Mädchennamen erfahrt: Elisabeth Prenner. Damals nannten sie alle Betti.«
Ein Schatten flog über Sigmunds Gesicht. »Ein kleines, dunkles Ding?«, entfuhr es ihm. »Sie war in der Küche beschäftigt …«
»Und sehr, sehr jung«, fiel Johannes Merwais ein. »Sie hat geschworen, dass kein anderer als Ihr Lenas leiblicher Vater sei. Und ich sehe keinerlei Veranlassung, ihr nicht zu glauben.«
Die Herzogin und Turner tauschten einen raschen Blick. Plötzlich tat sie Merwais leid. Es war eine Sache, am Hof auf anerkannte Kegel des Gemahls zu stoßen, eine andere, überraschend mit neuen illegitimen Abkömmlingen konfrontiert zu werden.
»Wieso dann aber Schätzlin – und nicht Hufeysen?«, stieß Sigmund hervor. »Was sollen all diese verwirrenden Namen?«
»Schätzlin hieß Elisabeths Schwester Johanna nach ihrer Heirat. Sie hatte die Kleine an Kindes statt angenommen. Sie kann dazu nicht mehr befragt werden, denn sie liegt seit vielen Jahren auf dem Friedhof von Wilten.«
Betretenes Schweigen.
»Verlasst uns jetzt, Herr Thomele!«, sagte Katharina. »Seid bitte so freundlich! Es geht um viel zu ernste Belange.«
Schmollend trollte sich der Hofzwerg.
»Dann wäre Lena also Eure Tochter«, fuhr Katharina zögernd mit einem Seitenblick auf Sigmund fort, »und ich damit gewissermaßen ihre Stiefmutter. Welch seltsamer Gedanke, da sie doch sogar ein wenig älter ist als ich. Und ausgerechnet diese Tochter soll versucht haben, uns beide zu vergiften...« Sie schüttelte den Kopf. »Alles hat in jenem entsetzlichen Moment gegen sie gesprochen, doch wenn ich jetzt darüber nachdenke, erscheint mir der Vorwurf reichlich absurd.«
Der Herzog schwieg. Tausend Gedanken schienen hinter seiner gefurchten Stirn zu kreisen.
»Lena ist unschuldig«, sagte jetzt Merwais. »Sie kann es gar nicht getan haben, denn eine Hexe ist sie nicht, und hässliche Gefühle wie Neid und Hass sind ihr gänzlich fremd. Nun aber liegen die schwersten Beschuldigungen auf ihr. Sie schwebt in Todesgefahr, Euer Hoheit. Wir müssen handeln, wenn wir sie retten wollen – rasch und gezielt!«
»Was also schlagt Ihr vor?« Der Herzog schien endlich seine Sprache wiedergefunden zu haben, wenngleich er den Blick seiner jungen Gemahlin noch immer mied.
»Ich bin davon überzeugt, dass nicht nur Lena unschuldig ist, sondern dass es auch die anderen angeklagten Frauen sind«, erwiderte Merwais mutig. »Pater Institoris scheint mir mit allem weit über das Ziel hinauszuschießen. In Innsbruck gab und gibt es keine Hexen – es handelt sich lediglich um ein paar unbescholtene Frauen, auf die jetzt der Tod wartet.«
»Aber unser armer Hofmeister … und diese Hella …« Die Herzogin hielt inne.
»Auch da erscheint mir das letzte Wort durchaus noch nicht gesprochen«, sagte Merwais. »Es gibt zu viele Ungereimtheiten in diesem Fall, als dass man eindeutig ihr die Schuld zuweisen könnte. Die junge Frau mag leichtsinnig und sogar reichlich frivol sein – eine Mörderin ist sie deswegen in meinen Augen noch lange nicht. Welchen Grund sollte sie gehabt haben, den Hofmeister umzubringen? Mir persönlich kommt kein einziger in den Sinn.«
»Und das kostbare Kreuz, das man im Stall der Scheuberin gefunden hat …?« Die Herzogin verstummte, weil sie wohl selbst spürte, wie wenig überzeugend dieser Beweis war.
»Ein solches Schmuckstück lässt sich leicht irgendwo platzieren.« Es machte Johannes stolz, in diesem erlauchten Kreis auf Lenas Worte zurückzugreifen. Für einen Moment war es beinahe, als stünde sie direkt neben ihm. »Die Schuld der Angeklagten beweist so ein Fund noch lange nicht.«
»Wer aber sollte es dann getan haben?«, fragte der Herzog. »Denn das Zeug war vergiftet, sonst würde das Hündchen, das davon gefressen hat, ja noch
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