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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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er schnüffelte bereits wieder in Richtung Herd. »Duften tut es doch auch hier ganz vorzüglich. Du scheinst mir eine echte Zauberin zu sein, was das Kochen betrifft. Was brutzelst du denn da gerade Feines?«
    »Eierreis«, sagte Lena. »Eine Menge, damit ja auch alle satt werden. Und gleich daneben gart ein Ragout aus karamellisierten Zwiebeln.«
    Neugierig war er zu einem der Tische gegangen, hatte das Tuch von einer Schüssel gelupft und hineingespäht.
    »Lena!«, schrie Vily aufgebracht, der Einzige, der seine Freude über ihre Rückkehr unverhohlen zeigte, während die anderen meist schadenfrohe Gesichter aufsetzten und mit dummen Sprüchen nicht geizten. »Schau doch nur, was er anstellt!«
    Sofort war Lena neben dem Medicus.
    »Wollt Ihr meine Germknödel verderben? Finger weg!«
    Van Halen lachte. »Du scheinst mir schon wieder ganz die Alte! Das gefällt mir.«
    »Wer sonst sollte ich sein? Ich bin Lena, und das werde ich stets bleiben.«
    Er sah sie aufmerksam an. Offenbar hatte er noch etwas auf dem Herzen.
    »Weißt du, Lena«, sagte er, »hier bei Hof, das ist eine ganz andere Welt als die da draußen bei euch, mit Regeln und Vorschriften, die du nicht kennst – und auch gar nicht kennenlernen musst. Gib trotzdem acht, damit du nicht zum Spielball fremder Interessen wirst! So etwas kann sich als sehr gefährlich erweisen.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Lass es mich dir so erklären: In einer alten Schrift hab ich von einem Jungen namens Ikaros gelesen, der wollte es den Vögeln gleichtun und unbedingt fliegen. Um seinen Wunsch zu verwirklichen, bastelte er sich Flügel aus Wachs, schnallte sie an und stieg damit hoch auf – bis er aus Versehen oder Übermut zu nah an die Sonne kam.«
    »Was ist mit ihm geschehen?« Lenas Kehle war plötzlich ganz trocken geworden.
    »Seine Flügel schmolzen. Er stürzte ins Meer und ertrank.«
    »Warum erzählt Ihr mir das? Weil Ihr damit sagen wollt, dass auch ich enden könnte wie jener Ikaros? Aber bei uns gibt es doch weit und breit kein Meer. Und fliegen will ich auch nicht. Ich muss nur hierbleiben, bis ich weiß …« Sie biss sich auf die Lippen.
    Der Medicus fuhr sich über das Gesicht. »Was rede ich da für Unsinn! Ein alter Narr, der wieder einmal kein Ende finden kann. Ich wollte dir keine Angst machen, das musst du mir glauben. Aber sei bitte trotzdem vorsichtig!«
    Lena schaute ihm nach, wie er breitbeinig hinauswatschelte mit diesem unförmigen Körper, der so wenig zu seinem hellen, wendigen Kopf passte. Van Halen mochte sie offenbar, das machte sie froh, weil auch sie ihn von der ersten Begegnung an ins Herz geschlossen hatte. Und Freunde konnte sie brauchen, denn hier in der Hofburg besaß sie solche nicht gerade im Übermaß.
    Als hätte Vily ihre Gedanken gelesen, kam er auch schon angelaufen. »Scheußlich war es ohne dich. Besonders in den letzten Tagen, als es Kassian an den Kragen ging. Er hat uns alle schikaniert wie eine Ratte, die spürt, dass die Falle schon aufgestellt ist und deshalb umso giftiger um sich beißt. Jeder hier ist froh, dass er endlich weg ist.«
    »Und der Neue?«, fragte Lena. Noch konnte sie sich keinen rechten Reim auf ihn machen. Chunrat war ein schlaksiger Mann mit langen Gliedern und einem fliehenden Kinn, der auf Lena nicht gerade so wirkte, als habe er übermäßigen Spaß am Essen. Bislang schien er sie weitgehend zu ignorieren, abgesehen von den knappen Befehlen, die er ihr bisweilen zubellte.
    »Es geht.« Vily grinste. »Man kann ihn leicht ärgern, indem man alles, was er einem anschafft, besonders langsam macht, das hab ich schon herausgefunden. Ein Dieb ist er sicherlich nicht. Dafür aber ein echter Pfennigfuchser und ganz schön misstrauisch dazu, das wirst du schon noch zu spüren bekommen. Am liebsten würde er jedem befehlen, sich abends splitternackt auszuziehen, bevor man nach Hause geht, damit ja nicht ein einziges Zwiebelchen aus seinen geheiligten Vorräten verschwindet.« Verschwörerisch senkte er die Stimme. »Angeblich hat dieser Jurist ihn angeschleppt. Du weißt schon, der, der neulich so gierig über dein Mandelhuhn hergefallen ist. Scheint mir, als seien die beiden aus ein und demselben Teig gebacken.«
    Johannes Merwais – sofort überkam Lena wieder das beschämende Gefühl von neulich. Was musste er wohl von ihr denken? Dass sie sich wie die erstbeste Dirne aufgeführt und aus Berechnung einem der herzoglichen Bastarde an den Hals geworfen hatte?
    »Wir sollten besser an die Arbeit

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