Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
in den Klauen hatte, war der größte Teil seiner Körpermasse – nicht alles, das sah sie sofort –, zu Fett geworden. Er hatte die rauen, schwieligen Hände über seiner tonnenförmigen Brust verschränkt, die der rote Wappenrock der königlichen Soldaten des Schwarzen Greifs zierte. Anders als bei den Wappenröcken, die Ellowaine bisher gesehen hatte, war dieser hier mit Gold gesäumt, sowohl am Rand als auch rund um das Symbol des Greifs.
»Guten Tag«, begrüßte er sie ohne jede weitere Vorrede. »Ich bin General Rhykus.«
Ellowaine erhob sich, verbeugte sich kurz und schob die Faustäxte in ihren Gürtel. »Ich fühle mich geehrt.« Sie wusste nichts über Rhykus außer seinem Namen und dass er einer von nur drei Soldaten im königlich cephiranischen Militär war, der diesen Rang innehatte.
Dies machte ihn für den Augenblick zu ihrem Arbeitgeber.
»Komm, geh ein Stück mit mir.« Er drehte sich um, ganz offensichtlich daran gewöhnt, dass man ihm sofort gehorchte.
Im Interesse ihres Geldbeutels tat Ellowaine ihm auch diesen Gefallen. Mit ihren langen Beinen konnte sie mühelos mit ihm Schritt halten. Sie war sich nicht sicher, ob er sich sammelte oder darauf wartete, dass sie das Gespräch eröffnete, aber nachdem sie eine Weile scheinbar ziellos durch den knirschenden Schnee gestapft waren, entschloss sie sich, die Initiative zu ergreifen.
»Ich gehe davon aus, dass Ihr nicht hier seid, um meine Vorstellung im Dickicht zu kritisieren. Sir«, setzte sie rasch hinzu. Daran
werde ich mich vermutlich nie gewöhnen, dachte sie im nächsten Moment.
»Hast du denn das Gefühl, dass es etwas zu kritisieren gibt?«
Ellowaine unterdrückte ihre Gereiztheit. »Eigentlich nicht. Wenn Ihr etwas hättet kritisieren wollen, so hättet Ihr wahrscheinlich längst etwas gesagt.«
»Ganz recht.« Sie gingen ein paar Schritte weiter. »Du bist doch die Frau, die während des sogenannten Schlangenkrieges deiner Nation unter Rebaine gedient hat, oder?«
Ihr Blut wurde ebenso kalt wie der Schnee. Das würden die Cephiraner ihr doch wohl kaum vorwerfen? »Ja, die bin ich«, gab sie zögernd zu.
General Rhykus nickte. »Normalerweise habe ich nichts mit unseren Söldnern zu tun«, erklärte er ihr.
»Sollte ich mich jetzt erneut geehrt fühlen? Oder sollte ich mir Sorgen machen?«
Der schwarze Bart klaffte auf, als Rhykus den Mund zu einem Grinsen verzog. »Du bist wohl daran gewöhnt, deine Meinung zu äußern. Das tun nur wenige meiner Soldaten, mir ins Gesicht zu sagen, was sie denken.« Er hielt kurz inne und sagte dann: »Nein, Ellowaine, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Genau genommen benötige ich deine Hilfe.«
Sie hatten eine kleine Anhöhe erklommen, und Ellowaine sah jetzt den großen Pavillon vor sich. Selbst aus der Ferne konnte sie die Hitze eines Feuers spüren.
»Bitte leiste mir beim Essen Gesellschaft«, lud der General sie ein. »Es gibt eine Menge, worüber ich mit dir reden möchte.«
»Zum Beispiel?«, erkundigte sie sich, immer noch argwöhnisch.
»Zum Beispiel über jedes Detail zu Corvis Rebaine, an das du dich erinnern kannst.«
»Und natürlich hast du ihm alles erzählt«, meinte Corvis angewidert.
»Warum denn nicht?« Trotz der Fesseln erwiderte sie seinen finsteren Blick. »Du hast mir wohl kaum einen Grund zur Loyalität oder gar Zuneigung geliefert.«
Damit liegt sie nicht ganz falsch, Corvis. Wenn es um Loyalität geht, befindest du dich zwischen einem Skorpion und … na ja … und einem hinterlistigen Skorpion.
Corvis zuckte mit den Schultern, soweit die Katze in seinen Armen es erlaubte. Er wollte nicht darüber streiten, jedenfalls nicht mit ihr und ganz bestimmt nicht mit sich selbst. Er sah, wie Ellowaines Blick an ihm vorbeiglitt, als Irrial den Raum betrat, und bemerkte, wie ihre Augen sich weiteten, als sie die Baroness erkannte. Er wusste, dass die beiden Frauen sich niemals getroffen hatten, aber zweifellos hatten die Cephiraner die Beschreibung von ihm und seiner Begleiterin überall verbreitet.
»War das wirklich nötig«, fragte Ellowaine unvermittelt, »meine Männer zu töten?« Ihre Stimme klang hart.
Erneut zuckte Corvis die Achseln. »Wir mussten sicherstellen, dass wir genug Zeit haben, um ungestört mit dir reden zu können. Außerdem herrscht Krieg.«
»Aha, verstehe«, höhnte sie. »Jetzt bist du also plötzlich ein Patriot?«
Corvis sank auf ein Knie, so dass er der gefesselten Gefangenen ins Gesicht blicken konnte. »Ich bin immer ein
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