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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Hammers Ohren klang das sehr nach Seth, und das letzte, was sie zur Zeit brauchen konnte, war einen ebensolchen Jammerlappen am Hals zu haben, wie jener, der zur Zeit im Carolina Medical Center, Zimmer 333, lag.
    »Fred, wie stehen wir als Polizei zu unseren Fehlern? Ich meine, im Gesamtkonzept unserer Arbeit?« fragte sie.
    »Ich weiß schon«, antwortete er, konnte ihr aber nicht ins Gesicht sehen.
    »Einen Fehler kann man erstens akzeptieren, wenn man, zum Zeitpunkt da er begangen wird, versucht hat, das Richtige zu tun. Zweitens, wenn man einem Menschen gegenüber zugibt, einen Fehler gemacht zu haben. Und drittens, wenn man bereit ist, mit anderen darüber zu sprechen, damit ihnen nicht das gleiche auch passiert.«
    »Den zweiten und den dritten Punkt habe ich nicht erfüllt«, sagte er.
    »Nein, das haben Sie nicht«, stimmte Hammer ihm zu. In diesem Moment kam West herein. »Nummer zwei ist nicht notwendig, denn inzwischen ist es allgemein bekannt. Bis spätestens siebzehn Uhr möchte ich eine Stellungnahme von Ihnen für unseren internen Informationsdienst auf meinem Tisch haben, in der Sie von ihrem Fehler berichten.« Sie sah ihn über den Brillenrand hinweg an.
    Für Bürgermeister Search gab es kein Gesamtkonzept der Polizeiarbeit und auch sonst kein Konzept, das jemanden, der einen Fehler gemacht hatte, nicht den Kopf kosten würde. Schon gar nicht bei einem so ungeheuerlichen Fehler mit so weitreichenden unangenehmen Folgen für Hammer. So etwas konnte ihm, dem Bürgermeister, nie passieren, denn er wußte, wie er mit Menschen umzugehen hatte, insbesondere mit Vertretern der Medien. »Daß die Stadt nicht sicher ist, entspricht nicht im mindesten den Tatsachen«, verkündete er jetzt. Die Luft im Büro schien plötzlich dünner zu werden, der Raum heißer, vielleicht auch enger. »Aber in den letzten fünf Wochen sind fünf Geschäftsleute, die die Stadt besuchten, ermordet worden«, antwortete Brazil. »Ich verstehe nicht, wie Sie da...«
    »Reiner Zufall. Einzeltaten. Bedauerliche Zwischenfälle.« Beiden stand der Schweiß auf der Stirn, und Search fühlte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg.
    »Das Hotel- und Gaststättengewerbe der Innenstadt meldet eine Einbuße von mehr als zwanzig Prozent.« Brazil hatte nicht vor, sich auf eine Diskussion einzulassen. Er wollte einfach nur den Dingen auf den Grund gehen.
    »Und Leute wie Sie verschlimmern die Situation noch.« Search tupfte sich die Stirn und wünschte, Cahoon hätte ihm diese gottverdammte Aufgabe erspart.
    »Ich möchte nichts weiter als die Wahrheit berichten, Bürgermeister Search«, sagte Billy Budd, Billy Graham. »Verschleierungstaktiken können nie und nimmer zur Lösung dieser entsetzlichen Situation beitragen.«
    Der Bürgermeister lachte über die simple Logik dieses simplen Jungen. Aber das war nichts als eine Flucht in den Sarkasmus. Ihm kam die Galle hoch, sein Gesicht lief rot an, die blanke Wut verdrängte jede Vernunft. Bürgermeister Search verlor die Beherrschung. »Ich fasse es nicht.« Hohnlachend starrte er diesem Nichts von einem Reporter ins Gesicht. »Sie wollen mir eine Lektion erteilen? Ich will ja gar nicht behaupten, daß die Geschäftswelt unter den Ereignissen nicht leidet. Ich würde zu diesem Zeitpunkt auch nicht nachts durch die Straßen fahren.« Er lachte noch lauter, war nicht mehr zu halten, trunken vor Macht.
    Gegen sechs Uhr abends, zur Happy Hour, trieben West und Raines in Jack Straw's Tavern of Taste einer anderen Art von Trunkenheit entgegen. Die Taverne lag an der East Seventh Street nicht weit vom Ladeeda's und Two Sisters. West hatte die Uniform gegen lässige Jeans, ein lockeres Denim-Hemd und Sandalen getauscht. Sie trank Sierra Nevada Stout, das Bier des Monats. Noch immer konnte sie nicht fassen, was sie und Hammer auf dem Video gesehen hatten. »Kannst du dir vorstellen, was für ein Licht das auf mich und meine Abteilung wirft?« fragte sie nun schon zum viertenmal. »Gott im Himmel, bitte sag mir, daß das nur ein Alptraum ist. Bitte. Ich wache doch gleich auf, oder?«
    Raines hatte sich einen Field Stone Chardonnay bestellt, den Wein des Monats. In seinen Sportshorts, dem Muskelshirt und den Nikes ohne Socken zog er sämtliche Blicke auf sich. Nur sein Gegenüber schien ihn nicht wahrzunehmen. Was war nur mit ihr los? Nie kannte sie ein anderes Gesprächsthema als ihre Arbeit und diesen Dummkopf von der Zeitung, mit dem sie durch die Gegend fuhr. Und Niles natürlich, diesen gottverdammten

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