Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
schlank, dass die Rippen unter ihrer Haut hervorstanden. Sie drehte sich und hob die Arme, hielt sie einen Moment wie erstarrt in der Luft, bevor sie sie fallen ließ und sich in einem seltsamen Tanz drehte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war völlig anders. Es erinnerte an das Freudenlächeln eines kleinen Mädchens.
Sie hielt inne und schaute mich an, als freute sie sich.
»Oh, Megan. Ich bin so aufgeregt. Ich konnte es gar nicht abwarten, es dir zu erzählen. Daddy liebt mich«, sagte sie. »Daddy liebt mich mehr als dich.«
Sie machte wieder eine kleine Drehung und kam näher. Mein Blick war gefesselt. Ich war außer Stande, ihn auch nur ein Jota nach links oder nach rechts abzuwenden. Ihr Gesicht war hypnotisierend. Als sie sprach, hatte sie die Stimme eines kleinen Mädchens.
»Daddy trug mich ins Bett hinauf. Ich hatte gerade meine Tasse heißer Milch ausgetrunken, und er sagte, ich sollte jetzt ins Bett gehen. Ich wollte nicht. Ich wollte länger aufbleiben, aber er sagte, ich müsste schlafen gehen, sonst würde Mutter böse. Sie hatte es ihm überlassen, heute Abend auf uns aufzupassen, während sie bei der Besprechung für den Wohltätigkeitsball war, und das machte er wohl besser, sagte er, sonst würde er in die Hundehütte gesperrt.
›Willst du, dass ich in der Hundehütte schlafen muss?‹, fragte er mich.
Natürlich schüttelte ich den Kopf, ich war entsetzt bei der bloßen Vorstellung, dass er meinetwegen in Schwierigkeiten geriet. Da lachte er und schaute mich mit dem zärtlichsten Gesicht an, das ich je bei ihm gesehen habe, noch zärtlicher, als wenn er dich anschaut. Ja, noch zärtlicher«, bestätigte sie glücklich mit einem entschiedenen Nicken.
Ich war sprachlos. Ihr Gesicht war meinem jetzt so nahe, dass sie mir Furcht einjagte. Ich hatte Angst, sie zu unterbrechen. Ich sah die winzigen Sommersprossen unter ihren Augenlidern und ein kleines helles Muttermal, das normalerweise unter der Ecke ihres Nasenflügels verborgen war.
»›Komm mit‹, sagte er und streckte mir die Hand entgegen. Seine Hand ist so groß, nicht wahr? Meine Hand wurde ganz verschluckt, als er seine darum schloss. Ich konnte meine Finger gar nicht mehr sehen.
›Ich kann meine Finger nicht sehen, Daddy‹, sagte ich. Er lachte und sagte: ›Mal sehen, ob sie noch da sind.‹
Er öffnete die Hand und berührte meine Handfläche mit seinem langen linken Zeigefinger und sagte: ›Da sind sie ja.‹
Ich lachte und Daddy lächelte mich an.
Dann überraschte er mich, als er mich näher an sich heranzog und mich hochhob, als sei ich federleicht.
›Auf geht’s‹, sagte er, ›nach oben ins Bett und halte dich von Megan fern. Sie hat die Masern und du steckst dich bestimmt an‹, warnte er mich.
Er trug mich den ganzen Weg nach oben in mein Zimmer, legte mich auf mein Bett, streichelte mein Gesicht und fuhr mir mit der Hand über die Schultern, über die Brust hinab bis zum Bauch, wo er mich kitzelte und zum Lachen brachte.
Daddy hatte das noch nie bei mir gemacht. Ich
weiß, dass er das bei dir machte, aber noch nie bei mir.
Dann sagte er: ›Ich wette, du holst langsam Megan gegenüber auf, nicht wahr? Du bist zwölf. Mädchen werden langsam groß, wenn sie zwölf sind. Wollen wir mal schauen‹, sagte er und hob mein Nachthemd hoch. ›Oh ja‹, sagte er. ›Ich habe jetzt zwei große Mädchen.‹
Er gab mir ein gutes Gefühl, küsste mich auf die Wangen, und sein Gesicht war so rot und so heiß, dass es meines fast verbrannte, als er es berührte.
Er liebt mich also«, schloss sie und machte wieder eine kleine Drehung. »Daddy liebt mich auch.«
Sie blieb stehen und schaute mich an. Ich hatte keine Ahnung, was sie als Nächstes tun würde, aber sie hob langsam die Hand und berührte mein Gesicht.
»Kühl«, sagte sie, »aber nicht kühl genug, obwohl deine Haut heute besser aussieht. Du siehst aus, als steckte immer noch etwas Leben in dir, obwohl du abgenommen hast, nicht wahr? All deine Freunde werden außer sich sein, was?«
Sie wischte sich die Finger am Bett ab, als hätte sie etwas Schleimiges berührt.
»Ich bin sehr krank«, flüsterte ich, »sehr krank.«
»Ich weiß. Du fühlst dich schrecklich. Du fühlst dich schrecklich, aber dir wird es auch wieder besser gehen«, sagte sie, die Augen zusammengekniffen. »Und dann bist du wieder die Hübsche, und Daddy schaut mich nicht mehr an.«
Sie kniete sich neben mein Bett. Ihr Lächeln wurde ausdruckslos, ihr Blick verlor sein Leuchten,
Weitere Kostenlose Bücher