Die Hudson Saga 03 - Dunkle Träume
Wanne half.
»Die Bezahlung ist gut«, sagte sie. »Außerdem«, fuhr sie fort, als ich das Bad zu genießen begann, »hatte ich schon früh Erfahrungen damit. Mein Vater war durch Arthritis schon früh verkrüppelt und saß im Rollstuhl, und meine Mutter …«
»Was?«, fragte ich, als sie zögerte.
Sie schaute zu mir herunter.
»Taugte nichts«, sagte sie, ging hinaus und ließ mich baden.
Weil es so lange dauerte, bis sie wiederkam, fragte ich mich schon, ob sie erwartete, dass ich selbst aus der Wanne stieg, mich abtrocknete und in den Rollstuhl setzte. Ich muss so weit kommen, dass ich das schaffe, dachte ich und fing an.
»Einen Augenblick, Fräulein Ungeduld«, rief sie und kam ins Badezimmer gestürmt. »So weit sind Sie noch nicht, und wenn Sie fallen und sich etwas brechen, was meinen Sie wohl, wem man die Schuld gibt?«
Sehr geübt holte sie mich heraus, trocknete mich ab und zog mich an. Sie öffnete den Schrank und fragte mich, was ich anziehen wollte.
»Vergessen Sie nicht«, erinnerte sie mich, »der Physiotherapeut kommt heute Morgen.«
Ich wählte einen Trainingsanzug. Nachdem ich ihn angezogen hatte, trat sie zurück und schaute mich an.
»Wollen Sie Ihre Haare in so einem Durcheinander lassen, nachdem wir so hart daran gearbeitet haben, dass Sie sauber sind und gut riechen? Fahren Sie wenigstens einmal mit der Bürste hindurch«, forderte sie mich auf. »Danach kommen Sie in die Küche zum Frühstück.«
Ich fühlte mich fast wie ein Kind, dem gesagt wurde, dass es selbst mit dem Familienauto fahren durfte. Vielleicht funktionierte das ja mit ihrer Frechheit, denn ich rollte mich hinüber zum Frisiertisch und bürstete mir das Haar. Überrascht, wie hungrig ich war, fuhr ich aus dem Zimmer hinaus den Korridor entlang.
Endlich hatte ich das Gefühl, zu Hause zu sein.
Vielleicht lag es daran, dass wir in der Küche saßen und nicht in meinem krankenhausartigen Schlafzimmer, aber während ich frühstückte, wurde Mrs Bogart gesprächiger, besonders über sich selbst. Sie frühstückte mit mir und erzählte mir von einigen ihrer früheren Patienten. Ein Fall war besonders traurig: ein zwölfjähriger Junge mit multipler Sklerose, der starb, während sie ihn pflegte.
Sie stammte aus einer Kleinstadt nördlich von Richmond und hatte Virginia noch nie verlassen. Sie erzählte mir, dass sie den größtenTeil ihrer Teenagerzeit und bis ungefähr Mitte zwanzig damit verbrachte,
für ihren Vater zu sorgen. Die Männer, die sich in sie verliebten, wurden es schließlich leid, ihre Energie und Aufmerksamkeit mit ihm zu teilen.
»Manche Menschen sind einfach dazu bestimmt, ihr ganzes Leben damit zu verbringen, sich um andere Leute zu kümmern«, meinte sie abschließend. »Zumindest schäme ich mich dessen nicht.«
»Warum sollten Sie auch?«, fragte ich.
Sie schaute mich mit ihren ebenholzschwarzen Augen an, in denen ein Feuer blitzte, und gab zurück: »Würden Sie das gerne Ihr ganzes Leben lang tun, Kind?«
Ich zögerte und entschied, dass dies eine Frau war, die nur die Wahrheit hören wollte. In mancher Hinsicht war das erfrischend.
»Nein, Ma’am«, sagte ich voller Überzeugung.
Sie starrte mich einen Moment an. Brach das Eis?
»Wer ist denn Ihre Mama? Nicht Miss Victoria, denke ich«, sagte sie und verschränkte ihre Nudelholzarme unter ihrem kleinen Busen.
»Nein. Ihre ältere Schwester, Megan.«
»Sie ist nicht mit Ihrem Daddy verheiratet, stimmt’s?«, fragte sie und legte den Kopf erwartungsvoll schief.
»Wohl kaum«, sagte ich. Sie nickte, denn sie verstand nur zu gut.
Ich erzählte ihr von Großmutter Hudson und wie es gekommen war, dass ich hier lebte. Sie hörte zu, schnalzte mit der Zunge und presste hin und wieder die Lippen aufeinander.Als ich ihr erzählte,
was Brody passiert war, wurde ihr Gesicht ernst. Sie erhob sich schweigend, um das Geschirr abzuräumen. Meine Geschichte schien ihre Gedanken völlig zu beanspruchen, denn sie schwieg sehr lange. Schließlich putzte sie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und drehte sich zu mir um.
»Es hat keinen Zweck, sich ständig zu fragen warum«, sagte sie. »Die Antworten auf diese Fragen liegen nicht hier bei den Lebenden. Wir werden später herausfinden, welchen Zweck all unsere Leiden hatten. Das meinen sie mit dem Versprechen auf das Gelobte Land.
Mein Daddy sagte das immer«, fügte sie sanft lächelnd hinzu.Als wäre ihr plötzlich klar geworden, dass sie aus der Rolle gefallen war, presste sie die
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