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Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes

Titel: Die Hudson Saga 04 - Im Schein des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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zu hören. Harley lernte seinen Vater kennen, und alles würde gut.
    Warum hörte sich das alles bloß an wie aus einem Märchen, fragte ich mich?
    Es sollte nicht lange dauern, bis ich das herausfand.

KAPITEL 12
    Der Schrein
    P lötzlich wurde mir bewusst, in welch seltsamer Situation ich mich befand, in diesem Haus in der Badewanne zu liegen und mich meinen Tagträumen hinzugeben. Tagträume waren nur Spinnweben, die leicht unter uns zerrissen und uns in die Wirklichkeit stürzen ließen. Die Wirklichkeit war, dass ich mich an einem Ort befand, der so anders war als mein Zuhause, dass ich ebenso gut auf dem Mars sein könnte!
    Das Wasser war warm und sauber, aber die Wanne war alt und angeschlagen und voller Rostflecken. Der Hahn tropfte, ganz gleich wie fest ich ihn zudrehte. Das Linoleum auf dem Boden war rissig, abgetreten und verblichen. Die Wände um mich herum schrien nach einem neuen Anstrich wie ein nacktes Kind in einem Schneesturm nach Kleidung und Wärme, aber hauptsächlich nach liebevoller Fürsorge.
    Harleys Vater lebte hier mit seiner haitianischen Frau. Sie behandelten ihr Heim jedoch nicht mit Liebe und Respekt. Sie waren nicht halb so stolz darauf, wie Harley es war, und Harley hatte es erst gestern zum ersten Mal gesehen.

    All diese Gedanken ließen mich erschaudern, selbst im lauwarmen Wasser. Ich hatte genug gesehen und gehört, um es mir eiskalt über den Rücken laufen zu lassen. Harley würde hier nicht glücklich sein. Er würde nicht den Vater finden, den er nie gehabt hatte, oder die Familie, die nur darauf wartete, ihn in die Arme zu schließen, sobald er auf der Türschwelle auftauchte. Niemand hatte den roten Teppich ausgerollt, so wie ich mir das für mich gewünscht hätte.Wenn sie es getan hätten, wäre er vermutlich sowieso abgetreten, zerrissen und verblichen.
    Hoffentlich würde Harley das alles selbst merken. Wenn er von der Arbeit mit seinem Vater nach Hause kam, würde er zu mir kommen und sich fast entschuldigen: »Lass uns nach Hause fahren, Summer. Lass uns jetzt gehen.«
    Ganz bestimmt war es hier zu seltsam, um länger zu bleiben. Sein Vater hatte nur vage Erinnerungen an seine Mutter, und Suze stammte wirklich aus einer anderen Welt, sprach eine andere Sprache und lebte mit völlig anderen Vorstellungen und Überzeugungen. Harley würde sich in diesem Haus wie ein Fremder fühlen.
    Ich war mir sicher, dass ich Mommy bald von der Straße anrufen könnte, um ihr zu sagen, dass wir auf dem Heimweg waren.
    »Wir mussten es selbst herausfinden«, würde ich sagen. »Das verstehst du doch, Mommy. Ich weiß, das tust du. Jetzt ist es einfacher für Harley, weiterzumachen.«
    Wenn ich nach Hause kam, würde sie mich stolz willkommen
heißen, stolz darauf, dass ich Harley geholfen hatte.
    »Du hast uns Angst eingejagt«, würde sie sagen, »aber du hast etwas Gutes getan für jemanden, der dir wichtig ist, und deswegen kann ich dir keinen Vorwurf machen.«
    Hatte ich mich wieder in Tagträume geflüchtet, stellte ich mir das alles vor und wünschte es mir zu sehr?
    Meine Träumerei endete, als ich Suze oben im Flur hörte.Was sie summte, war nicht so sehr ein Lied als ein monotoner Sprechgesang. Unerwartet öffnete sie die Tür und blieb stehen, sobald sie mich sah.
    »Excusez-moi«, murmelte sie. »Entschuldigung. Pardonnez-moi, aber ich brauchen Wasser.«
    Sie hielt den Eimer und den Mopp hoch.
    »Tut mir Leid«, sagte ich. »Ich komme jetzt heraus. Ich bin sowieso fertig.«
    Sie ging nicht hinaus, sondern blieb in der Tür stehen und beobachtete, wie ich mich so behutsam wie möglich aus der Wanne hievte. Rasch griff ich nach meinem Handtuch und schlang es um mich. Ich hielt mich nicht für einen besonders prüden Menschen, besaß aber dennoch ein gewisses Schamgefühl, besonders in Gegenwart von jemandem mit einem so forschenden Blick. Sie sah aus, als beurteilte sie jeden Knochen in meinem Körper.
    »Du sollten nicht viel Kinder bekommen«, stellte sie kopfschüttelnd fest.
    »Warum nicht?«, fragte ich.

    Mit der freien Hand machte sie eine Geste über Beckenknochen und Bauch.
    »Nicht gut für viele Kinder.«
    »Ich will sowieso nicht viele Kinder. Nur zwei.«
    »Bon«, meinte sie nickend.
    Sie machte keinerlei Anstalten zu gehen, deshalb trocknete ich mich ab und schaute sie dabei verstohlen an.
    »Was ist mit Ihnen?«, gab ich zurück. »Haben Sie Kinder?«
    »Oui.«
    »Ja? Wie viele?«
    Sie hielt einen Finger hoch.
    »Einen Jungen oder ein Mädchen?«
    »Junge«,

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