Die Hüterin des Schattenbergs
lassen euch gewähren oder sie töten euch. So einfach ist das«, erwiderte Salvias gelassen. »Besser, ihr wartet nicht darauf, dass ich euch helfe. Mein A uftrag lautet, euch schnell und sicher hierher zu bringen. Und genau das habe ich getan.«
»Lass es gut sein, Jemina.« Rik seufzte und warf Salvias einen finsteren Blick zu.
»Ja, lass uns losgehen.« Jemina nickte.
W ieder einmal blieb ihr nichts anderes übrig, als sich über Salvias’ V erhalten zu wundern. In ihren A ugen war die Gefahr für das eigene Leben bedeutungslos angesichts der Bedrohung für das ganze Land. Obwohl sie sich sehr fürchtete, wusste sie, dass sie die Suche nach dem Buch fortsetzen musste. Sie vertraute darauf, das Orekh, der sein V olk so sehr geliebt hatte, V orsorge getroffen hatte, damit sein Schattenzauber noch lange Bestand hatte. A ußerdem war Rik bei ihr. Zusammen würden sie es schaffen, da war sie sich sicher.
Gemeinsam machten sie sich auf den W eg und gingen am Fuß der Mauer entlang, so wie Salvias es ihnen beschrieben hatte. Die Sonne schien warm und freundlich, während sich ringsumher die Berggipfel majestätisch vor dem Hintergrund des blauen Himmels abzeichneten. Es war ein schöner und friedlicher T ag, der die Gedanken an die Gefahren und die bösartigen W esen, die in der Hohen Feste hausen mochten, in weite Ferne rücken ließ. Jemina spürte, wie sie nach dem kräftezehrenden A ufstieg wieder neue Zuversicht schöpfte. Rik hingegen wurde immer stiller. Je näher sie dem Eingang der Hohen Feste kamen, desto bedrückter wirkte er. A ls das T or der Feste vor ihnen auftauchte, blieb Jemina stehen und fragte: »Was ist los?«
5
Z ufrieden betrachtete Corneus die Gefangenen, die im Kellergewölbe der Feste vor ihm saßen. Der junge Mann wirkte in sich gekehrt, zeigte aber keine A nzeichen von Unruhe. Nur die blutigen Striemen auf der Stirn und den A rmen zeugten davon, dass er sich zur W ehr gesetzt hatte, als man ihn aus dem V erließ geholt und in das Gewölbe geschleppt hatte. Die Frau rechts neben ihm lächelte. A uf ihrem Schoß lag eine Katze. Obwohl sie mit dem Oberkörper an den Stuhl gefesselt war, lag ein zufriedener A usdruck auf ihrem Gesicht. W ie der jungen Mann hatte auch sie von der Essenz getrunken.
Der hünenhafte Schmied zu ihrer Rechten, den vier Männer an den Stuhl hatten festbinden müssen, schien sich in seinen Fesseln fast wohl zu fühlen. Er hatte alle Gegenwehr eingestellt, nachdem er nur einen winzigen Schluck von der Essenz genommen hatte. Und obwohl Corneus ihn dafür von dem Knebel in seinem Mund befreit hatte, machte er keine A nstalten mehr, dem Meistermagier seinen Hass entgegenzuschmettern. »Wunderbar.« Corneus rieb sich die Hände. Ein winziger T ropfen, der eingenommen wurde, war ausreichend gewesen, um aus dem menschlichen A bschaum friedliche Geschöpfe zu machen, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnten. Die Frau hatte die Geliebte ihres Mannes aus Eifersucht getötet. Der junge Mann trug einen unbändigen Hass auf Katzen in sich und hätte es zuvor nicht eine Minute neben der Katze ausgehalten, ohne ihr den Hals umzudrehen. Der Schmied war ein Berserker, der bei dem kleinsten A nlass in wilde Raserei verfiel und schon so manchen wegen Nichtigkeiten halb tot geschlagen hatte. A lle drei waren als Kinder in die Feste der Magier gekommen, weil das Ritual der Reinheit bei ihnen versagte hatte. Selbst den Magiern war es nicht gelungen, das Böse in ihnen unter Kontrolle zu bringen, und so hatte man sie am Ende in das Lager fernab der Stadt verbannt, wo all jene eingesperrt wurden, für die es keine Hoffnung mehr gab.
Für die es bisher keine Hoffnung auf Besserung gegeben hatte, korrigierte Corneus sich in Gedanken, denn nun gab es endlich ein Mittel, das geeignet schien, auch diese verlorenen Seelen von allem Bösen zu befreien.
Der Erfolg war offensichtlich. A ber Corneus war noch nicht zufrieden. Mit einem Fingerzeig rief er die W achen zu sich, deutete auf die Gefangenen und befahl: »Bindet sie los.«
Die W achen tauschten unsichere Blicke. Sie hatten die verzweifelte Gegenwehr der Gefangenen am eigenen Leib zu spüren bekommen und trauten dem Frieden nicht.
»Na los. W orauf wartet ihr?« Corneus unterstrich seine W orte mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Bindet sie los, sage ich. Sie tun euch nichts mehr.«
Zögernd begannen die W achen, die Fesseln zu lösen. Die Gefangenen atmeten auf und rieben sich die schmerzenden Handgelenke, unternahmen aber
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