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Die Hure und der Henker

Die Hure und der Henker

Titel: Die Hure und der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Arlt
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schwedischen Dragonern, schottischen
Schützen, dänischer Artillerie, französischen Waffen und niederländischem Geld
halb Europa miteinander im Krieg liegt und die Verwüstung der Länder mit der
Verwüstung der Herzen einhergeht, wo Menschen sich zerstückeln, zerhauen,
durchstoßen, zerfetzen, zerreißen, zerschmettern, zerschneiden, zerfleischen,
jetzt sollte man einmal neu über fleischliche Sünden nachdenken.
    Ich, Sorka
Nezvalová aus Stramberg, Tochter des Druckers Jeroným Nezval, ich, von
mährischen Brüdern und Schwestern dazu erzogen, vor allen Dingen die Wahrheit
zu suchen, wobei ich sie in mährischer Not suchte, in sächsischem Elend und
später auch in Quedlinburg, denn nach Pirna kam die Pest, und damals war es
noch möglich, zu fliehen, ich glaube, dass die Sünden, die wir damals begingen,
die Witwe Štemonová und ihre zwei erwachsenen Söhne, denen ich mich anschloss
und die unterwegs im Stehlen von Äpfeln und Mohrrüben eine gewisse Fertigkeit
erwarben, uns gewiss verziehen werden beim Jüngsten Gericht. Zumal die
Stemonsöhne, Zimmerleute beide, so sehr hofften, in Quedlinburg Arbeit zu
finden.
    Diese
Hoffnung wurde freilich enttäuscht. Wir galten als Gesindel und durften nur in
der Vorstadt auf dem Münzenberg wohnen.
    Ich, die ich ebenfalls dieses
und jenes nicht durfte, nicht stricken, nicht sticken, nicht Strick- und
Stickwaren verkaufen (vom Geruch nach Druckerschwärze habe ich gar nicht erst
geredet), nicht für Geld Wäsche waschen, »Stramberger Ohren« backen, Kulaj da,
Selnjatschka oder andere heimische Suppen kochen, kochte, als wir das Amt des
Stiftvogts verließen, vor Wut. Den Verkauf von Quirlen und Mausefallen hielt
die Äbtissin, unter deren Schutz wir uns, wie man uns sagte, gestellt hätten,
für einen uns angemessenen Broterwerb. Und die Stemonsöhne, die musikalisch
waren, durften vor den Haustüren flöten und fiedeln.
    Ich war ständig müde. Die
Stemonsöhne schnitzten mehr Quirle und Mausefallen, als ich verkaufen konnte.
Mit zuletzt nur noch schlurfendem, stolperndem Gang kam ich von meinen Runden
über die Dörfer zurück. Ich schlief tief und fest, als es damals ringsherum
krachte, klirrte, splitterte.
    »Die
Schweden! Die Schweden kommen!«
    Aber sie kamen nicht, sie
waren schon da. Und nach dem zwölften Schweden war ich nicht mehr da.
    Das hat
später auch Valentin nicht mehr gutmachen können.
     
     
    Gewissen?
Immerhin: Ich leistete mir auch noch im Hurenzelt eins.
    Als ich zu
mir kam, sah ich schmutzigrote Stoffbahnen mit grauen, wohl einmal weiß
gewesenen Streifen dazwischen, das Zeltdach. Ich sah drei Gesichter, von denen
das eine mich ansprach. »Ciao, bella. Willkommen am Arsch der Welt!« Sie hießen
Una, Antje und Suse, die sich dann tagelang über meine Scham amüsierten, denn
ich war auf Hilfe angewiesen, ich konnte weder sitzen noch laufen. Sie
erzählten mir, wo sie mich fanden.
    »Ohne
Kleider, die haben sie mitgenommen.«
    »Aber du hast
noch ganz einladend dagelegen.« Und dass ich ihnen »noch brauchbar« erschien,
auch, welchen Gebrauch ich ihrer Meinung nach von mir in Zukunft sollte machen
lassen. Die Kerle würden immer geiler und sie hätten auch noch den
Bierausschank. Sie seien ja auch zu viert gewesen, aber der Elke hätte man mit
einem Säbelhieb die Kehle durchschnitten. Versehentlich, es war nicht
persönlich gemeint. Sie hätte nur zu dicht bei zwei streitenden Kerlen
gestanden. Übrigens herrsche Ordnung im Lager. Der Profoss habe ihn dafür
gehängt.
    Damals
scharrte ich alles, was von meiner Würde noch übrig war, zu einem, wie ich in
jenem Augenblick hoffte, stolzen, verächtlichen »Nein« zusammen – damit mich
auch über diese Frauen erhebend, die mich aufgelesen, mit sich getragen,
gebettet, mir tagelang den Nachttopf untergeschoben und mich von dem wenigen,
das sie besaßen, ernährt hatten, was mir vor lauter Tugendliebe entging.
    Und die Schwarzhaarige, Una
Branduardi aus Rom, wie ich später erfuhr, schlug darauf die Zeltbahn des
Eingangs beiseite: »Dann geh. Hau ab! An der nächsten Ecke fallen sie wieder
über dich her. Hier könntest du wenigstens noch davon leben. Aber wir drängen
dir unsere Gesellschaft nicht auf. Hau ab! Na? – Avanti!«
    Nein, Vater
im Himmel, ich lache nicht. Ich, die ich gelernt habe, dass man sich mit Alaun
wieder so eng, als sei man jungfräulich, macht; ich, die ich gelernt habe, mit
eingeführten flachen Steinen und sorgsamen Essigwaschungen eine Empfängnis zu
verhindern, was

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