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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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davon. »Da ich weiß, dass du ohnehin gleich danach fragen wirst in deiner unnachahmlichen Redlichkeit: Hauptmann Forli bekommt einen Posten als Polizeikommandant irgendeines Viertels. Die Sache mit Quirini wird kein Nachspiel für ihn haben – jetzt, wo Quirini ohnehin erledigt ist, schon zweimal nicht.«
    Julius ging zum Fenster, von wo aus man auf den künftigen Petersplatz sah, der an diesem Tag mit Fahnen geschmückt war. Ein riesiger Baldachin war für Julius und den Altar aufgespannt worden, denn der Gottesdienst würde im Freien gefeiert werden. Danach war ein prunkvoller Umzug geplant, an dem Artisten,
Tänzer, Sänger, Indianer und Afrikaner teilnehmen würden, buntes Volk zum Bestaunen und für die Kurzweil. Die meisten Leute waren gewiss nur deshalb gekommen.
    »Du sagst ja gar nichts, Sandro. Nimmst du das Amt an?« Seine Stimme vibrierte leicht, so als fürchte er Sandros Antwort. Julius war Herr der Gläubigen, Nachfolger Petri, Lenker des Kirchenstaates – hatte er die Antwort eines Mönchs zu fürchten? Er hatte Sandro noch immer den Rücken zugekehrt, aber er wirkte plötzlich alt und verletzbar.
    »Natürlich steht es dir frei, abzulehnen«, sagte Julius. »Ich bin sicher nicht das, was ein aufrechter Charakter wie du unter einem Vorbild versteht. Zum einen liegt das daran, dass ich Papst bin. Du machst dir keine Vorstellung von der Bürde, die damit verbunden ist. Zum anderen aber … Ich bin der Gefangene eines Systems, in das ich hineingewählt worden bin, und alle Menschen um mich herum sind Teil dieses Systems. Du nicht. Du bist – du bist wie ein Fenster, Sandro, durch das ich frei atmen kann. Darum bitte ich dich, auch im Namen meines toten Sohnes, der dein Freund war: sag ja.«
    Es kam Sandro der Gedanke, dass alle diese vielen Festivitäten, dieser Pomp und Karneval, den Julius in Rom abhielt, ihm nur dazu dienten, seine Einsamkeit zu vergessen. Und aus der Sandro ihn herausholen sollte.
    Hatte er Einfluss auf den Papst? Wenn ja, konnte er unsagbar viel Gutes tun und mäßigend auf einen launischen Charakter einwirken.
    »Und meine Arbeit im Hospital?«, fragte er.
    »Einmal in der Woche stelle ich dich dafür frei. Und ich erhöhe die Zuwendungen an das Hospital.«
    Sandro nickte. »Nun dann – es wäre einen Versuch wert.«
    Julius sah ihn an und lachte. »Einen Versuch wert. Das ist komisch. Ja, das ist gut. Jede der Hofschranzen da drau ßen hätte ein riesiges Gloria ausgestoßen. Und du: einen Versuch
wert. Formulierungen hast du – unglaublich!« Er lachte und lachte. »Ich wette, wenn du eines Tages vorm Himmelstor stehst und Petrus dich hereinbittet, sagst du: ›Nur, wenn’s keine Umstände macht.‹«
    Sandro musste nun auch über seine Formulierung schmunzeln.
    »Trink, Sandro.«
    »Ich würde lieber nicht trinken.«
    »Wenn du mir danken willst, dann trink mit mir.« Julius streckte ihm den Kelch zu einem stummen Trinkspruch entgegen, sodass Sandro nichts anderes übrig blieb, als zu trinken. Da er an diesem Morgen noch nichts gegessen hatte, spürte er sofort einen winzigen Schwindel, und als er sich neben Julius ans Fenster stellte und in die Tiefe sah, kam es ihm vor, als könne er fliegen.
    Julius öffnete das Fenster, um sich zu zeigen. Mit der frischen Aprilluft wehte der Jubel des Volkes herein. Es war eine atemberaubende Kulisse: die Menschen, die Fahnen, die tausend Glocken … Die Fanfaren erklangen, der Chor setzte ein. Eine Schar Geistlicher strömte auf den Platz und postierte sich um den Altar.
    Julius richtete seinen Blick wieder auf Sandro. »Weißt du eigentlich, dass ich angefangen habe wie du? Ja, als Sekretär Pius’ III., anno 1503.« Er zwinkerte ihm zu, dann trank er seinen Kelch leer. »Nun, Sandro, als mein Sekretär solltest du mir jetzt sagen, dass es Zeit zum Aufbruch ist.«
    Sandro verneigte sich. »Es ist Zeit, Eure Heiligkeit.«
    »Danke. Du begleitest mich.«
    »In den Gottesdienst?« Sandro hatte eigentlich Carlotta aufsuchen wollen, deren Anliegen bezüglich des Einbruchs er allzu launisch abgetan hatte. Jetzt, wo er den Kopf frei hatte, wollte er ihr helfen, so wie sie ihm geholfen hatte. »Ich hatte eigentlich vor …«

    Julius zog die Augenbrauen hoch. »Nicht doch, Sandro. Was immer es ist: Es hat Zeit. Dein Platz ist ab heute neben mir, ganz vorn.«

38
    Die Tür war nicht verriegelt, nur angelehnt. Er betrat das Zimmer geräuschlos und sah sie, sah Carlotta mit dem Rücken zu ihm am geöffneten Fenster stehen.
    Sie nahm

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