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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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aus der Zeitung«, antwortete er zurückhaltend, »ich bin eher zufällig auf das Grab gestoßen.«
    »Naja, eigentlich ist es ja noch nicht mal ein Grab.«
    »Ach ja? Liegt er etwa nicht dort begraben?«
    Vater Keelan streichelte die Krähe auf seiner Schulter und lächelte. »Hören Sie, jedes Kind im Dorf weiß, dass es keine Leiche gibt. Es war ein Unglück auf See. Ein Feuer an Bord des Fischkutters. Thomas ging über Bord, seine Leiche wurde nie gefunden.«
    Verdammt, das hatte er ganz vergessen. Aber es ersparte ihm immerhin das Öffnen des Grabes und die mögliche Exhumierung der Leiche. »Man hat ihn aber für tot erklärt, oder?«
    Der Pfarrer zuckte mit den Achseln. »Es ist fast zehn Jahre her. Thomas Keane ist seitdem nicht wieder aufgetaucht. Also kann man getrost davon ausgehen, dass seine Seele bei Gott ist.«
    Eher beim Teufel. »Waren Sie damals auch schon Pfarrer hier?«
    »Ja und nein.« Er seufzte, als sei die Erinnerung Schwerstarbeit. »Ich war zwar damals schon hier, aber nicht als Pfarrer. Ich bin der letzte Leuchtturmwärter von Cape Cloud. Als die Anlage stillgelegt wurde, war ich meinen Job los. Mein Chef wollte mich in den Innendienst versetzen, aber ich wollte nicht fort von hier, ich mag das Dorf und die Leute. Etwa zur gleichen Zeit hatte man in Foley den letzten Pfarrer davongejagt und die Kirche konnte die Stelle nicht neu besetzen – keiner wollte in dieses gottlose Nest …« Er lächelte vor sich hin. »Foley hat in Kirchenkreisen nicht gerade den besten Ruf, wie Sie vielleicht wissen.« Seine Hand fuhr durch seine angegrauten Haare. Die Krähe verfolgte aufmerksam jede seiner Bewegungen.
    »Und da haben Sie den Job übernommen?«
    »Naja, sie brauchten jemanden für Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Und eine Handvoll treuer Seelen kommt sogar jeden Sonntag zur Messe.«
    Fin betrachtete argwöhnisch den großgewachsenen Mann im Pfarrersrock mit dem Vogel auf der Schulter. Als alter Seebär mit einem Papagei hätte er eine glaubwürdigere Figur abgegeben. »Kann man denn so einfach Seelsorger werden?«
    »Nun, wenn auch nicht die Kirche mir dieses Amt übertragen hat, so denke ich doch, dass Gott mich trotzdem unterstützt. Und außerdem sind sich der Beruf des Leuchtturmwärters und der eines Pfarrers durchaus ähnlich. Ich versuche ein Licht in der Finsternis zu sein und die Seelen auf den rechten Weg zu leiten.«
    »Für einen Laien predigen Sie aber ganz anständig.«
    Vater Keelan lachte auf. »Man lernt dazu. Aber im Ernst, viel zu tun hat man nicht in einer Gemeinde wie Foley. Wenn jemand im Dorf Sorgen hat oder das Bedürfnis zu beichten, dann geht er nicht zum Pfarrer, sondern ins Pub. So einfach ist das.«
    »Kannten Sie die Keanes?«
    »Sind Sie von der Polizei?«
    Er hatte sich einen Schritt zu weit vorgewagt. »Nein.« Er musste schnellstens zurückrudern. »Ich bin Journalist. Aber nur auf Urlaub. Eigentlich bin ich auf der Suche nach meinen Vorfahren. Das ist der Grund, weshalb es mich auf diesen Friedhof verschlagen hat.«
    »Ist eher selten, dass es jemanden auf der Suche nach seinen Ahnen nach Foley verschlägt. Wir haben wenig Fremde oder gar Touristen hier«, reagierte der Pfarrer zugeknöpft.
    »Es ist ja auch nicht gerade eine einladende Gegend. Die Straße ist miserabel und schlecht ausgeschildert, der Hafen nicht der Rede wert, hierher fährt kein Zug, nicht mal ’n Bus …«
    »Oh, eine Buslinie gab es mal.«
    »Das ist aber schon ne Weile her.«
    »Ja, sie wurde eingestellt. Die Fahrer weigerten sich herzufahren, nachdem einem bei einer Pause ein Reifen geklaut worden war.«
    »Geklaut.«
    »Naja, einfach abmontiert. Danach haben sie in den Bus ne Alarmanlage eingebaut.«
    »Und? Hats funktioniert?«
    »Die Reifen waren noch dran, aber die Alarmanlage war geklaut.«
    »Und da wundern Sie sich, dass keine Fremden kommen?«
    »Ich glaube, die Leute in Foley mögen einfach keine Fremden«, erwiderte Vater Keelan vorsichtig, »wie, sagten Sie, war noch Ihr Name? Fin O’Malley?«
    Fin nickte.
    »Fingal? Finbar? Finian?«
    »Einfach Fin.«
    »O’Malley …« Der Pfarrer schien ernsthaft nachzudenken und im Geiste sämtliche Namen der Schäfchen durchzugehen, deren Seelen auf seinem Gottesacker ruhten. Allzu viele konnten es nicht sein. Er ging ein paar Schritte zwischen die Grabreihen, Fin folgte ihm aufmerksam. »Ich fürchte, wir haben keinen einzigen O’Malley auf unserem Friedhof.«
    Hatte Fin auch nicht ernsthaft erwartet. »Sind Sie

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