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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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und Socken auszieht): Comme tu t’appelles? Tu es très jolie.
    Muriel (tut so, als würde sie ihr Kleid zurechtzupfen): Muriel, mon chéri. Et tu?
    Bundó (knöpft sich das Hemd auf und gähnt): Je m’appelle Bundó.
    Muriel (tut so, als würde sie sich vor dem Spiegel kämmen): Bondeau, mon chéri? De dond es-tu?
    Bundó (zieht sich, auf der Bettkante sitzend, die Hose aus): Espagnol.
    Muriel (blickt ihn aus dem Spiegel an und tut so, als würde sie ihre Ohrringe ablegen): Ah, caray. Ich bin auch Spanierin. Aus Jaén. Andalusierin.
    Bundó (legt sich aufs Bett): Na ja, ich bin Katalane. Und außerdem Fernfahrer. Sag mal …, was ist das … für ein Name? Wer … hat den dir … gegeben?
    Muriel (sitzt mit dem Rücken zum Bett und tut so, als würde sie erröten): Es ist nur ein Name. Und aus welcher Gegend von Katalonien kommst du?
    Bundó (hat sich zugedeckt): Zzzzzz…
    Muriel (tut so, als würde sie ihn ein bisschen lieb haben): Bonsoir, mon chéri.
    Am Morgen erwachte er intuitiv um Viertel vor fünf. Er setzte sich auf und brauchte einige Augenblicke, bis er wusste, wo er war. So ging es ihm oft. Die Wärme, die die schlafende Muriel neben ihm ausstrahlte, half ihm, sich zurechtzufinden. Während er sich anzog, betrachtete er sie. Ihren Körper, unter der Bettdecke eingerollt, ihr glattes blondes Haar – à la France Gall –, ihre so hübschen, vom Schlaf ein wenig verquollenen Gesichtszüge … Er verharrte eine Minute lang mit angehaltenem Atem und spürte eine unbekannte Kraft, die ihn zu diesem Mädchen hinzog. Das Hupen des Pegaso vor dem Haus riss ihn aus der Versenkung. Er wusch sich das Gesicht über einem kleinen Becken in der Zimmerecke, das Wasser war eisig, er zog den Anorak über und warf ihr einen Abschiedsblick zu. Als er die Hand schon an der Türklinke hatte, kehrte er noch einmal um. Ganz vorsichtig, um sie nicht zu wecken, hob er die Bettdecke an. Muriel war nackt, und ihr prächtiger Körper, in die Kissen geschmiegt wie eine Frucht in ihre Hülle, verströmte einen intensiven Duft, weiblich und nächtlich. Bundó sog ihn tief in seine Lungen, dann deckte er sie wieder zu.
    Als er die Treppe hinunterstieg, wusste er, dass ihm dieses Mädchen nicht mehr aus dem Sinn gehen würde.
    Zur zweiten Begegnung in dem Bordell kam es neun Wochen später – Umzug Nummer 77, Barcelona–Paris –, und Muriel erkannte Bundó nicht auf Anhieb wieder. Es war nur ein kurzer Besuch, einmal die Treppe hoch und wieder zurück, während Gabriel und Petroli an einer nahen Tankstelle die Scheiben des Lastwagens reinigten, Diesel auffüllten und in der Cafeteria einen Happen aßen. Bundó sprach sie auf Spanisch an, aber Muriel hatte einen schlechten Tag und antwortete ihm nur in ihrem kargen Französisch. Bundó dachte sich, das sei wohl ein Spiel, das sie spielte, mit all diesen gewisperten mon chéri und mon chouchou, so falsch ausgesprochen und so erregend, er ließ sich einfach darauf ein. Sie kamen zur Sache und au revoir. Doch die verschlossene Art des Mädchens beschäftigte ihn dann während der gesamten Reise.
    Bis zur dritten Begegnung vergingen nur zwei Wochen, sie fiel auf einen strahlenden Samstag inmitten eines grauen Februars, und diesmal wurde ihnen beiden klar, dass etwas Besonderes vorging. Bundó hatte an dem Wochenende frei. Unwiderstehlich zog es ihn in der Morgendämmerung zum Bahnhof França. Er nahm einen Zug Richtung Perpignan und stieg beim Spurweitenwechsel in einen Zug nach Lyon um. Von dort aus ließ er sich von einem Taxi auf die Landstraße nach Saint-Étienne bringen. Allein für die Fahrtkosten war nun schon ein ganzer Wochenlohn draufgegangen, doch das kümmerte ihn nicht. Als er vor dem Bordell ankam, beschleunigte ein heldenhaftes Gefühl ihm den Puls. Wie es in ihm brodelte! Er war der König. Schon um dieser mächtigen Empfindung willen hatte sich die Reise gelohnt. Gegen sieben Uhr abends stieg er aus dem Taxi, seit seiner Abfahrt in Barcelona waren fast zwölf Stunden verstrichen. Es ist eben ein richtiger Ausflug, sagte er sich, und mit derselben Leichtigkeit gelang es ihm, einen lästigen Gedanken zu verscheuchen: Er hatte sich weder überlegt, wann, noch, wie er wieder zurückkommen würde.
    Während seine Augen sich ans schummrige Licht gewöhnten – diesmal war viel los, ein Gewimmel von Männern und Frauen –, versuchte er, Muriel ausfindig zu machen, vergebens. Aber er erblickte die Madame am Ende des Tresens, ging hin und fragte.
    Muriel? Die arbeite heute

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