Die Jagd nach dem Meteore
eine sehr kleine Scheibe. Traf es diese nicht mit mathematischer Genauigkeit, so verfehlte es das Ziel und die Wasser der Baffinsbai würden sich über ihm schließen. In dieser hochnördlichen Gegend ist das Meer aber sehr tief: erst bei zwei-bis dreitausend Metern erreicht die Sonde dessen Grund. Nun versuche man einmal, aus einem solchen Abgrunde eine fast neunhunderttausend Tonnen schwere Masse aufzufischen!
Diese Möglichkeit machte Herrn von Schnack auch recht ernste Sorge, und er hatte seine Unruhe wiederholt gegen Seth Stanfort ausgesprochen, zu dem er während der Reise etwas näher in Beziehung getreten war. Gegen jene Gefahr ließ sich nun leider nichts tun, man hatte sich nur einfach auf die Berechnungen des gelehrten J. B. K. Lowenthal zu verlassen.
Das Unglück, das Herr von Schnack befürchtete, erschien Francis Gordon und Jenny Hudelson im Gegenteil als die beste Lösung. Nach dem Verschwinden der Feuerkugel hatten die beiden Männer, von denen ihr Glück abhing, alle Ansprüche, selbst den, dieser ihren Namen zu geben, unwiderruflich verloren. Das wäre ein großer Schritt zu der so ersehnten Aussöhnung gewesen.
Daß diese Weise der zwei jungen Leute, die Sache anzusehen, von den vielen Passagieren des »Mozik« und auf dem Dutzend von Schiffen andrer Nationen die jetzt vor Upernivik vor Anker lagen, geteilt würde, möchte wohl anzuzweifeln sein. Diesen kam es ja darauf an, etwas zu sehen, nur deshalb waren sie hierhergekommen.
Nächtliches Dunkel war es auf jeden Fall nicht, das die Erfüllung ihres Wunsches vereiteln konnte. Vierundzwanzig Tage lang, zur Hälfte vor und zur Hälfte nach dem Sommersolstitium, geht die Sonne in dieser Breite weder auf noch unter. Das versprach also die besten Aussichten, bei der Erscheinung des Meteors alles klar und deutlich beobachten zu können, wenn dieses, entsprechend den Versicherungen J. B. K. Lowenthals, wirklich in der Umgebung der Station niederfiel.
Gleich am Tage nach der Ankunft verstreute sich eine aus sehr verschiedenen Elementen bestehende Menge zwischen den wenigen Holzhäuschen Uperniviks, auf deren größtem Grönlands weiße Flagge mit dem roten Kreuz im Winde flatterte. Noch nie hatten die Grönländer und die Grönländerinnen eine solche Menschenmenge auf ihrer weltfernen Insel zusammenströmen sehen.
Die Grönländer, vorzüglich die der Westküste, zeigen einen recht merkwürdigen Typus: klein, höchstens mittelgroß, untersetzt, kräftig gebaut, mit kurzen Beinen und seinen Händen und Gelenken, gelblicher Haut, einem breiten, platten Gesicht, dem die Nase fast zu fehlen scheint, mit braunen, schmal geschlitzten Augen und schwarzen, groben, über das Gesicht hereinfallenden Haaren ähneln sie einigermaßen den Robben, deren sanften Gesichtsausdruck sie ebenso haben wie ihr nützliches Fettpolster, das sie gegen die Kälte schützt. Die Kleidung ist für beide Geschlechter die gleiche: Stiefel, Beinkleider und »Amaout« oder Kapuze. Die in ihrer Jugend nicht ungraziösen und etwas lachlustigen Frauen binden die Haare zu einem hohen Schopfe auf, behängen sich mit modernen Stoffen und putzen sich mit vielfarbigen Bändern. Die früher sehr beliebte Mode der Tätowierung ist unter dem Einfluß der Missionäre abgekommen, dagegen haben diese Volksstämme ihre große Vorliebe für Gesang und Tanz, ihre einzigen Zerstreuungen, unvermindert bewahrt. Als Getränk dient ihnen nur Wasser, als Nahrung das Fleisch von Robben oder wilden Hunden, ferner Fische und Beeren mancher Algen. Im ganzen ein trauriges Leben, das diese Grönländer führen.
Die Ankunft einer solchen Zahl von Fremden auf der Insel Upernivik erregte bei den wenigen hundert Eingebornen, die sie ständig bewohnen, die größte Verwunderung, und als sie die Ursache dieses Andrangs erfuhren, erhöhte das natürlich nur ihr Erstaunen. Die armen Leute wußten den Wert des Goldes recht gut zu schätzen. Das unvermutete reiche Geschenk sollte nur leider nicht ihnen gehören. Wenn die Milliarden auf den Erdboden niederfielen, würden sie ja nicht ihre Taschen füllen, und der grönländischen Tracht, die aus begreiflichen Gründen nicht dieselbe wie die der Polynesier ist, fehlt es daran keineswegs. Diese Milliarden würden in den Tresoren der Regierung verschwinden, woraus sie doch kein Mensch wieder hervorkommen sah. Immerhin durften sie der »Geschichte« nicht gleichgültig gegenüberstehen, es konnte doch niemand wissen, ob dabei nicht auch etwas für das Wohlergehen der armen
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