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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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registrierte die Veränderung mit Genugtuung. Sie spürte, dass sie damit ab sofort einen Trumpf in der Hand hielt. Jetzt musste sie ihn nur noch geschickt ausspielen.
    Sie wollen Briefe einer Frau analysieren lassen, die in den letzten dreißig Jahre ihres Lebens wie eine Einsiedlerin gelebt und dabei verständlicherweise ein paar Schrullen entwickelt hat?, spottete Hinnrichs hinter ihrer Stirn. Haben Sie den Verstand verloren?
    „Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie knapp Ihre Zeit bemessen ist“, wandte sie sich wieder an Dr. Frescobaldi. „Aber dürfte ich Sie eventuell trotzdem um einen Gefallen bitten?“
    An der Farbe ihrer Stimme hörte Winnie, dass die Psychologin schmunzelte. Offenbar beherrschte sie die Sache mit dem Pokerface doch noch nicht ganz so gut, wie sie glaubte. „Wenn Sie mir verraten, um was es sich handelt?“
    „Ich möchte, dass Sie sich ein paar Briefe ansehen, die Elisabeth Dahl kurz vor ihrem Tod geschrieben hat. Wenn Sie mir Ihre Emailadresse geben, könnte ich sie Ihnen gleich rüber schicken ...“
    Zu ihrer Erleichterung stellte Dr. Frescobaldi keine weiteren Fragen, sondern nannte ihr bereitwillig die Emailadresse ihres Vorzimmers. „Ich muss Sie allerdings um etwas Geduld bitten“, sagte sie zum Abschied. „Hier in der Klinik ist auch am Wochenende viel zu tun, und ich weiß nicht, ob ich noch heute dazu kommen werde.“
    „Kein Problem“, entgegnete Winnie schicksalsergeben. Und in Gedanken fügte sie hinzu: Besser spät als nie …
     
     
     
     
    4
     
    Sie verband ihren Ausflug ins kriminaltechnische Labor mit einem Besuch, den ihr Boss nicht autorisiert hatte. Schlimmer noch, Winnie ahnte, dass Verhoeven ihr Vorhaben rundheraus ablehnen würde, wenn er davon wüsste.
    „Sie erledigen diese andere Sache, und dann kommen Sie wieder her“, hatte er mit unmissverständlicher Deutlichkeit klargestellt. „Verstanden?“
    Und sie hatte Ja gesagt. Was sonst? Immerhin stand er gehörig unter Druck, jetzt, da Brüning mit an Bord war. Vor ihrem inneren Auge erstand sein Gesicht, in dem ihr ein neuer, schärferer Zug aufgefallen war. Eine neue Entschlossenheit, aber auch ein neuer Schmerz. Und eigentlich wollte sie seinen Anweisungen ja auch gar nicht zuwider handeln. Sie schüttelte den Kopf, während sie ihren Polo aus der engen Lücke zwischen zwei Vans manövrierte. Sie wollte seinen Anweisungen nicht zuwider handeln, und sie wollte ihn auch nicht schlecht aussehen lassen. Und doch zögerte sie keine Sekunde, ihren Plan in die Tat umzusetzen, nachdem sie Edda Benders Sandalette im Labor abgeliefert hatte. Denn bei aller berechtigten Konzentration auf Ann-Kathrin Jehningers Verschwinden: Es gab Gespräche, die geführt werden mussten. Das war sie Lilli Dahl schuldig.
    „ Eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss“, murmelte sie, wie um sich selbst Mut zu machen, als sie den Wagen an der nächsten Ampel nach rechts lenkte. Dann trat sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
    Die schöne Rosemarie lebte in einer der schlechteren Gegenden von Wiesbaden, eine triste Wohnanlage, zehn Parteien pro Eingang. Die Wände des Treppenhauses wiesen Spuren von notdürftig entfernten Graffitis auf, und über allem schwebte ein Geruch nach verbranntem Essen und Urin, wobei letzterer ein Kinderstreich sein mochte, vielleicht aber auch trauriger Alltag.
    Winnie klingelte und kurz darauf stand sie vor einer speckigen Tür im dritten Stock. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“ Sie hielt ihren Ausweis in den Türspalt, so dass Edda Benders Schwester ihn sich ansehen konnte.
    „Fragen?“
    „Über Lilli Dahl.“
    „Lilli?“ Rosemarie Wilnowski löste die Sicherheitskette, die klirrend gegen den Rahmen krachte, und öffnete die Tür. Allerdings machte sie keine Anstalten, beiseite zu treten, um Winnie eintreten zu lassen. „Gütiger Gott, ich wusste gar nicht, dass die noch lebt.“
    „Tut sie nicht“, entgegnete Winnie mit einem entwaffnenden Lächeln. „Unter anderem deshalb bin ich hier.“
    Rosemarie Wilnowski blickte an ihr herunter, als müsse sie sich trotz des Ausweises erst darüber klar werden, wen sie da vor sich hatte. Das Bernsteinblond, von dem Lilli Dahl in ihren Erinnerungen geschwärmt hatte, war jetzt stumpf und von dicken grauen Strähnen durchzogen, und die meergrünen Augen blickten, als seien sie niemals jung gewesen.
    Winnie betrachtete das leere, nichtssagende Gesicht ihres Gegenübers und empfand

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