Die Janus-Vergeltung
schien sich sofort zu heben, und er beschloss, den Gedanken aufzugreifen.
»Es geht um Bakterien, aber nicht um diese.«
»Dann nimmt sie sich sicher gleich nach Börsenschluss für Sie Zeit.«
»Ich muss sie sofort sprechen«, beharrte er.
Die Empfangsdame bemühte sich sichtlich, ruhig zu bleiben. Faszinierend , dachte Smith. Er bat eigentlich um nichts Außergewöhnliches, doch die junge Frau tat, als wollte er den Papst während der Sonntagsmesse sprechen. Sie drückte einen Knopf und gab schließlich sein Ansinnen weiter. »Er ist von der Army«, fügte sie hinzu, dann lauschte sie einige Augenblicke. »Selbstverständlich«, sagte sie schließlich und wandte sich wieder Smith zu.
»Ms. Nolan sagt, es tut ihr leid, aber sie kann um diese Zeit keine Besucher empfangen. Sie können aber gern nach Börsenschluss wiederkommen.«
Smiths Geduld ging zur Neige. Hinter der Empfangsdame befand sich eine Milchglasscheibe, die die Eingangshalle von den Büros trennte. Dahinter sah Smith die verschwommenen Umrisse der Mitarbeiter an ihren Schreibtischen. Er schritt auf die Glastür zu.
»Mr. Smith, entschuldigen Sie, aber wo wollen Sie hin?« Die junge Frau erhob sich aufgeregt von ihrem Platz. Es tat ihm leid, dass er ihr das Leben schwer machte, aber er musste auf der Stelle zu Ms. Nolan. Er erreichte die Tür und zog am Griff. Verschlossen. Er blickte zur Empfangsdame zurück.
»Bitte öffnen Sie die Tür.« Die junge Frau richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, die Smith auf gut eins fünfzig schätzte. So zierlich sie war, so tapfer sorgte sie dafür, dass Ms. Nolan ungestört blieb.
»Das kann ich nicht, Sir. Ich hätte längst die Security gerufen, wenn Sie nicht von der Army wären. Sie können da nicht hinein. Ich gebe Ihnen gern einen Termin für vier Uhr.«
Er schritt zu ihr zurück und blieb wenige Zentimeter vor ihr stehen. Sie wich nicht zurück, was ihm gefiel – sie ließ sich nicht so leicht einschüchtern –, doch er musste Ms. Nolan um jeden Preis sprechen, und sie stand ihm dabei im Weg. Er überblickte ihren Arbeitsplatz und fand den Knopf, mit dem sich, so vermutete er, die Tür öffnen ließ.
»Ms. …« – er blickte auf ihr Namensschild – »… Lee. Es ist bewundernswert, wie Sie Ms. Nolan verteidigen, aber ich habe ihr etwas zu sagen, das keinen Aufschub duldet, und ich bin überzeugt, sie wird es genauso sehen, wenn sie es hört. Wenn nicht, werde ich auf der Stelle gehen. Ich werde ihr aber in jedem Fall mitteilen, wie tapfer Sie sich gegen die U.S. Army geschlagen haben.« Er sah sie mit seinem gewinnendsten Lächeln an, und nach einem Augenblick sah er auch in ihrem Gesicht etwas Amüsiertes aufblitzen. Er beugte sich vor und drückte den Knopf, worauf sich das Türschloss mit einem Klicken öffnete.
Smith betrat den Arbeitsbereich von Landon Investments. Etwa fünfzig Schreibtische – an jedem ein Trader vor seinem Computerbildschirm – standen hufeisenförmig aufgereiht, mit einem Durchgang in der Mitte. Die Trader trugen alle Headsets, und die meisten sprachen in ihr Mikrofon. Die Geräuschkulisse von fünfzig verschiedenen Gesprächen erfüllte den Raum.
In der Mitte des Hufeisens stand Ms. Nolan. Sie sah genauso aus wie auf dem Foto, nur dass sie heute statt des konservativen blauen Hosenanzugs ein rotes Etuikleid trug, das ihre schlanke Figur perfekt zur Geltung brachte. Ihr Haar trug sie streng zurückgebunden, dazu Ohrringe mit gelben Diamanten, soweit Smith das mit seinem unfachmännischen Auge beurteilen konnte. Sie stand vor vier halbkreisförmig angeordneten Monitoren und verfolgte das Geschehen stirnrunzelnd. Er schritt durch den Mittelgang auf sie zu. Einige der Trader blickten kurz zu ihm auf, doch die meisten starrten weiter auf ihre Bildschirme, ohne ihn auch nur zu bemerken. Auch Ms. Nolan ignorierte ihn. Sie war etwas über eins siebzig groß, und ihr Alter schätzte er auf Mitte dreißig. Ihr Blick hob sich, als er einen Meter vor ihren Monitoren stand.
Mit ihren dunkelbraunen Augen, die genauso ernst dreinblickten wie auf dem Foto, musterte sie ihn von Kopf bis Fuß und hob fragend eine Augenbraue.
»Mr. Smith von der Army, oder?«
Er nickte. »Entschuldigen Sie, dass ich so reinplatze, aber ich muss Sie dringend sprechen. Es geht um Leben und Tod.«
Ein überraschter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Leben und Tod? Wessen Leben?«
»Ihres«, antwortete er.
Er hatte nun ihre volle Aufmerksamkeit. Sie wirkte einen Moment lang schockiert, dann
Weitere Kostenlose Bücher