Die Kälte Des Feuers
Studios.«
»Hollywood?«
»Ich weiß nicht mehr.«
»Wie hieß der Film?«
»Hab’s vergessen.«
»Und die Schauspieler?«
»Keine berühmten Namen.«
Holly machte sich eine gedankliche Notiz über den Film und vermutete, daß er für Jim und den Ort wichtiger gewesen war, als er zugab. Die beiläufige Erwähnung und seine ausweichenden Antworten deuteten darauf hin, daß sich mehr dahinter verbarg.
Am südöstlichen Rand von Svenborg fuhr Jim langsam an Zaccas Garage vorbei, einer großen Nissenhütte aus Wellblech, die auf einem Betonfundament stand. Davor parkten zwei verstaubte Wagen. Zwar war das Gebäude während seiner Existenz mehrmals gestrichen worden, aber inzwischen hatte es schon seit einigen Jahren keinen Pinsel mehr gesehen. Hier und dort blätterten die diversen Lackschichten ab, und große Rostfladen gesellten sich hinzu, wodurch ein seltsamer Tarneffekt entstand. Der rissige Asphalt vor der Hütte wies mehrere mit losem Kies gefüllte Schlaglöcher auf, und am Straßenrand bemerkte Holly vertrocknete Gras und Unkraut.
»Ich bin mit Ned Zacca zur Schule gegangen«, sagte Jim. »Damals kümmerte sich sein Vater Vernon um die Reparaturwerkstatt. Es war nie ein Geschäft, das Reichtum versprach, aber früher sah’s hier besser aus.«
Die großen Schiebetüren - sie erinnerten Holly an einen Flugzeughangar - standen offen, und Schatten kauerten unter dem langen Wellblechdach. Die hintere Stoßstange eines alten Chevy glänzte im Halbdunkel. Zwar wirkte die Werkstatt ziemlich schäbig, aber nichts deutete auf Gefahr hin. Dennoch schauderte Holly leicht, als sie in den düsteren Innenraum blickte.
»Ned war ein gemeiner, durchtriebener Hurensohn«, sagte Jim. »Der Schulrüpel. Er konnte den anderen Kindern das Leben zur Hölle machen, wenn er wollte. Ich hatte ständig Angst vor ihm.«
»Schade, daß du erst später Taekwondo gelernt hast. Sonst hättest du ihm eine Lektion erteilen können.«
Jim lächelte nicht, er starrte an Holly vorbei zur Werkstatt. Sein seltsamer Gesichtsausdruck weckte Unbehagen in ihr. »Ja. Wirklich schade.«
Als sie wieder zum Gebäude sah, bemerkte sie einen Mann in Jeans und T-Shirt. Er trat aus der Dunkelheit ins graue Zwielicht, ging langsam am Chevy vorbei und wischte sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab. Das Sonnenlicht erreichte ihn nicht, und deshalb blieben seine Züge schattenhaft. Mit einigen Schritten passierte er den Wagen und hatte dabei kaum mehr Substanz als Phantome auf einem mitternächtlichen Friedhof.
Aus irgendeinem Grund wußte Holly, daß jene geisterhafte Erscheinung in der Nissenhütte Ned Zacca hieß. Sie kannte ihn nicht; nur Jim verbanden schlechte Erinnerungen mit ihm. Trotzdem fröstelte sie innerlich und fühlte, wie ihre Handflächen feucht wurden.
Dann trat Jim aufs Gas, und sein Ford rollte an der Werkstatt vorbei. Sie kehrten in den Ort zurück.
»Was hat Zacca mit dir angestellt?«
»Was ihm gerade so einfiel. Führte sich auf wie ein verdammter Sadist. Seit damals war er mehrmals im Gefängnis. Aber ich wußte, daß er zurück ist.«
»Du wußtest es? Woher?«
Jim zuckte mit den Schultern. »Ich habe es irgendwie gespürt. Außerdem: er gehört zu den Kerlen, die nie bei großen Sachen ertappt werden. Hat unverschämtes Glück. Ab und zu gerät er in Schwierigkeiten, aber dabei geht’s immer um etwas Banales. Er ist gleichzeitig dumm und schlau.«
»Warum wolltest du dir die Werkstatt ansehen?« fragte Holly.
»Erinnerungen.«
»Die meisten Leute sind nur an guten Erinnerungen interessiert, wenn sie ein wenig Nostalgie möchten.«
Darauf gab Jim keine Antwort. Noch bevor sie in Svenborg eintrafen, hatte er sich eingekapselt wie eine Schildkröte, die unter ihren Panzer zurückweicht. Jetzt war er fast wieder in jener grüblerischen, unnahbaren Stimmung, an die sich Holly vom vergangenen Tag her erinnerte.
Die kurze Besichtigungstour erfüllte sie nicht mit dem Gefühl kleinstädtischer Geborgenheit. Statt dessen verdichtete sich in ihr das unangenehme Empfinden, mitten im Nichts zu sein, vom Rest der Welt abgeschnitten. Sie befand sich nach wie vor in Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Staat in der Union, und nur sechzig Meilen trennten sie von der Stadt Santa Barbara. Svenborg hatte fast zweitausend Einwohner und war damit größer als viele andere Provinznester an den Interstate-Highways. Der Eindruck, isoliert zu sein, ging auf etwas Psychologisches zurück. Ihm fehlte eine reale Grundlage, aber
Weitere Kostenlose Bücher