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Die Kalte Sofie

Die Kalte Sofie

Titel: Die Kalte Sofie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Gruber
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Besichtigung des Leichnams so lustlos ins Diktafon nuschelte, als sei es die reinste Zumutung.
    Die Tote hieß Maria Hinterstoißer, 76 Jahre, 165 cm groß, 48,2 kg schwer, deutlich reduzierter Ernährungszustand. Der Hausarzt hatte zunächst Herzversagen attestiert; die besorgte Großnichte jedoch, die nicht an einen natürlichen Tod glaubte, hatte eine Sektion veranlasst.
    »Totenstarre voll ausgeprägt … In Projektion auf das hintere Scheitelbeindrittel links besteht eine 4,5 cm lange und bis 4 mm breite weißliche narbenartige Aufhellung der Haut …«
    Dr. Falk klang gelangweilt und hielt für einen Moment inne.
    »Die Leute da draußen auf der Straße gucken alle eindeutig zu viel Tatort und CSI . Warum können die ihre verstorbenen Angehörigen nicht einfach still und würdig unter die Erde bringen?«
    Sofie beugte sich vor, kniff die Augen zusammen und musterte den Körper vor ihr genauer. Dann räusperte sie sich.
    »Deshalb vielleicht?« Sie deutete auf die Augenlider. »Sieht fast nach punktförmigen Einblutungen aus, auch in der Haut über den Jochbeinen …«
    Dr. Falk stutzte, gewann jedoch schnell ihre Fassung zurück.
    »Und wenn schon«, zischte sie. »Das muss noch gar nichts heißen.«
    Ein letzter Blick auf den verrunzelten Kopf mit den spärlichen weißen Haaren, und schon musterte die Falk die Halsregion.
    »Mit dem Kopf wären wir ansonsten so weit durch, würde ich sagen.«
    Doch Sofie hörte nur halb zu – irgendetwas ließ sie stutzen. Sie klappte die Unterlippe der vor ihnen liegenden Toten nach unten: tatsächlich …
    »Und das hier? Vertrocknungen an den Lippen und kleine Einblutungen in den Lippenumschlagsfalten – seltsam. Finden Sie nicht auch, Frau Kollegin?«
    »Miss Marple die Zweite, was?«, fauchte Dr. Falk. »Hab ich doch schon längst gesehen!«
    Unaufhaltsam ratterte die Stimmung weiter in den Keller.
    Hals, Brustkorb, Bauchdecke, äußeres Genitale, Analregion, äußere Inspektion der oberen und unteren Extremitäten sowie des Rückens. Alles ohne weitere auffällige Befunde. Ebenso die Sektion des Kopfes, die Sofie streng nach Lehrbuch als Nächstes durchführte.
    Elke Falk hatte nichts zu beanstanden – was ihr sichtlich missfiel. Mit zusammengepressten Lippen reichte sie Sofie die Rippenschere.
    »Wie ich’s Ihnen gesagt habe. Völlig überflüssig, die ganze Aktion. Aber nachdem wir schon dabei sind … Wenigstens habe ich auf die Weise gleich mal Gelegenheit zu überprüfen, was man Ihnen in Berlin so alles beigebracht hat.«
    Skeptisch blickte Sofie auf das Instrument in Falks Hand und griff stattdessen nach einem Skalpell. Kein schlechter Versuch, sie aufs Glatteis zu führen! Aber damit war die werte Kollegin bei ihr an die Falsche geraten.
    »Vor Eröffnung der Brusthöhle würde ich doch gern noch eine Pneumothorax-Probe durchführen und mir die Lunge genauer ansehen, wenn Sie erlauben.«
    Pneumothorax, ein akut auftretendes lebensbedrohliches Krankheitsbild, bei dem Luft zwischen Rippen- und Lungenfell gelangt und damit die Ausdehnung eines oder beider Lungenflügel behindert, ließ sich nur vor der eigentlichen inneren Begutachtung der Brusthöhle ausschließen. Waren Brustkorb und Rippen erst einmal durchtrennt, war eine Diagnose nicht mehr möglich. Daher zählte diese Probe zu den Routineuntersuchungen vor jeder Sektion.
    Verkniffen biss die Falk sich auf die Lippen und nickte stumm.
    Der Konter hatte offensichtlich gesessen.
    Behutsam säbelte Sofie sich durch Haut und Muskulatur, bis der knöcherne Brustkorb sichtbar wurde.
    Mit dem, was sie da sah, hatte sie allerdings auch nicht gerechnet. Verblüfft pfiff sie durch die Zähne.
    »Bingo! Veränderungen am Skelettsystem. Links sind die Rip pen zwei mit vier, rechts ebenso die Rippen zwei mit vier jeweils in der mittleren Schlüsselbeinlinie gebrochen.«
    Irgendetwas in Dr. Falks so herablassender Miene verrutschte gänzlich. Hastig schob sie Sofie zur Seite und warf ebenfalls einen Blick auf den Brustkorb.
    »Links mit deutlicher, rechts nur mit spärlicher Unterblutung. Schön, dass Ihnen das auch aufgefallen ist, Frau Kollegin«, schnappte sie und richtete sich wieder auf. Ihre Augen sprühten nun Blitze, eisblau, von einem feinen dunklen Ring umgeben.
    Passt schon, dachte Sofie grinsend. Mithilfe eines Röntgenbildes, auf das die Kollegin ja ausdrücklich verzichtet hatte, wäre zumindest ein Verdacht auf diesen Befund von vornherein deutlich geworden. Aber bitte! Wenn die Falk meinte, bei ihr mit

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