Die Katze, die hoch hinaus wollte: Roman
Hausdiener hat sie den Zwinger Boulevard hinauf- und hinuntergefahren, wie ’ne Prinzessin. Ich erinnere mich an die Party, als sie ihr Debüt in der Gesellschaft gab, und an das Kleid, das sie trug – mit lauter Perlen und Federn, und es reichte nicht mal bis ans Knie. Das war damals modern. Danach haben die jungen Männer ihre Aufwartung gemacht und ihr Pralinen und Blumen gebracht. Und auf einmal war sie auch schon verlobt – mit dem Feschesten von allen.« Traurig schüttelte Mrs. Jasper den Kopf. »Aber wie es dann weiterging, das war ’n Jammer.«
»Was i st passiert?«
»Nun, also, der Hochzeitstermin war schon festgesetzt, die Einladungen verschickt und alles, das Hochzeitskleid hatten sie extra in Paris bestellt. Dann ist auf einmal irgend etwas passiert. Mr. Plumb war ganz mitgenommen, Miss Adelaide schmollte, und die Dienstboten gingen auf Zehenspitzen herum und hatten Angst, den Mund aufzumachen. Ich habe die Haushälterin gefragt, und sie sagte, Mr. Plumb sei das Geld ausgegangen. Als nächstes hat er das Automobil verkauft und ein paar Dienstboten entlassen, und Miss Adelaide verbarrikadierte sich in ihrem Zimmer und weigerte sich, herauszukommen. Die Haushälterin sagte, Mr. Plumb sei gezwungen, ihre Verlobung zu lösen. Danach begann er zu kränkeln und starb.« Mrs. Jasper beugte sich vor und sagte mit großen Augen: »Ich hab’ so ’ne Ahnung, daß Miss Adelaide ihn vergiftet hat!«
Qwilleran, der von dem leiernden Tonfall der Frau eingelullt worden war und zu träumen begonnen hatte, fiel fast vom Stuhl. »Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hat mit mir geredet wie mit einer Freundin, wo wir doch im gleichen Alter waren.«
»Was hat sie Ihnen erzählt?«
»Oh, sie haßte ihn, weil er ihr das angetan hatte! Das hat sie mir gesagt, und dabei hat sie mit den Füßen aufgestampft und mit Gegenständen herumgeschmissen und geschrieen. Sie war wirklich verzogen. Hat immer alles gekriegt, was sie wollte, und getan, was sie wollte. Ich würde es ihr schon zutrauen, daß sie ihren eigenen Vater vergiftet hat.«
»Wie wäre sie denn an Gift gekommen?«
»Im Keller war Rattengift. Der Hauswart hatte es in seinem Schrank, mit ’nem Totenkopf und gekreuzten Knochen darauf.«
»Ach, kommen Sie, Mrs. Jasper«, schalt Qwilleran. »Können Sie sich vorstellen, daß das schönste Mädchen vom Casablanca im Keller herumschleicht, um Rattengift zu stehlen?«
»Nicht sie selber. Es war der Hausdiener, meiner Meinung nach. Das war ein junger Mann, der aussah wie ein Filmstar, und sie hat ihn ständig angelächelt. Die Haushälterin sagte, das nimmt kein gutes Ende.«
»Sehr interessant«, sagte Qwilleran und schnaubte in seinen Schnurrbart. Seine teilnahmsvolle Art veranlaßte die Leute, ihm vertrauliche Dinge zu erzählen – ob sie nun wahr waren oder nicht –, und Menschen aller Gesellschaftsschichten hatten ihm schon ihre Geheimnisse anvertraut, doch Dienstbotenklatsch eignete sich wohl kaum als Stoff für die Geschichte des Casablanca.
»Ja, das war wirklich interessant«, fuhr Mrs. Jasper fort. »Als Mr. Plumb gestorben war und sie das Geld von der Versicherung bekam, kaufte sich der Hausdiener ein Automobil! Wo hätte so ein junger Dachs damals das Geld für ein Automobi l hergehabt?«
»Wie oft haben Sie diese Geschichte schon erzählt, Mrs. Jasper?«
»Nur meinem Andrew, nachdem wir verheiratet waren, und er sagte, ich solle nicht darüber reden, aber jetzt ist die Gräfin alt, und es spielt doch keine Rolle mehr, und ich wollte sie schon immer mal jemandem erzählen.«
»Nun, ich danke Ihnen«, sagte er. »Es ist drei Uhr vorbei, und ich muß mit den Katzen zum Tierarzt.«
»Ich gieße noch die Bäume, dann bin ich fertig«, sagte Mrs. Jasper.
Qwilleran bezahlte sie und sagte, er würde sie nächsten Montag wiedersehen – wieder ein Versprechen, das er nicht in der Lage sein sollte zu halten.
Beide Katzen lagen auf dem Wasserbett. »Alles auf!« rief er fröhlich. »Auf, auf, zu einer Fahrt in der blauen Pflaume!« Er sagte kein Wort vom Tierarzt, aber sie wußten es! Sie waren durch nichts zu überreden, in den Tragekorb zu klettern.
Zuerst versuchte er, Koko durch die kleine Tür zu schieben, zuerst die Vorderbeine, dann den Kopf, doch der Kater stemmte seine Hinterbeine gegen den Korb; mit gespreizten Beinen blockierte er die Tür und schlug seinen Schwanz wie eine Peitsche. Selbst unter Aufbietung seiner raffiniertesten Tricks konnte Qwilleran nicht vier Beine, einen Kopf, einen
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