Die Katze riecht Lunte
Erdstößen auf die Seite geworfen worden. Schlingpflanzen und Rost nahmen ihn langsam auseinander.
Ein schwacher, aber betörender Geruch wehte Tucker in die Nase. Sie schnupperte rund um den Transporter, dann fing sie an, darunter zu graben.
Als sie in der weichen Erde wühlte, kam die Ecke eines stabilen kleinen Koffers zum Vorschein. Er könnte einmal auf dem Sitz des Transporters gestanden haben, war aber vermutlich herausgerutscht, als die Scheibe zerbrach. Im Laufe der Jahrzehnte hatte sich der Transporter darübergeschoben, und er war mit welken Blättern und Schlingpflanzen bedeckt worden, die sich zu Humusschichten entwickelt hatten.
»Hab ’nen alten Koffer gefunden.«
»Und?« Pewter stieß einen Katzenpfiff aus. »Schweres Leder mit Stahlkanten. Hat einen verlockenden Duft – schwach, sehr schwach.«
»Was brabbelt sie da?«, grummelte Murphy.
»Sehen wir nach.«
Tucker zerrte kräftig an dem Koffer, einmal, zweimal. Das Schnappschloss gab ein kleines bisschen nach. Sie zog ein weiteres Mal.
»Gibt’s Arbeit?« Murphy umrundete das wüste Brombeergestrüpp und kroch dicht am Boden, um den anderen Dornen auszuweichen. Sie spazierte über einen alten Massey-Ferguson-Traktor, dann ließ sie sich neben den Chevy fallen.
»Ich geh da nicht rein!«, rief Pewter.
»Du bist gar nicht gefragt.« Dann rief Tucker: »Donnerwetter!«
Die Katze trat näher, als der Hund muffigen alten Todesgeruch schnupperte.
Die beiden Freundinnen blinzelten.
»Es ist ein winzig kleines Skelett.« Ein Fetzchen Spitze hing noch am Schädel. »Ein winzig kleines Menschenskelett!« Mrs Murphy verschlug es den Atem.
»Was machen wir jetzt?« Tuckers Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Kommt ihr da jetzt raus?« Pewter ging auf und ab, dermaßen verärgert, dass sie den Schwanz aufrichtete.
»Wir haben ein Skelett gefunden«, rief Murphy.
»Das sagt ihr bloß, damit ich reinkomme.«
»NEIN, tun wir nicht«, antworteten sie einstimmig.
Pewter ging auf und ab, setzte sich hin, fluchte, kroch dann schließlich hinein. »Ihr lügt. Ich weiß, dass ihr lügt.«
»Sieh doch.« Mrs Murphy beugte sich nach hinten.
»Lügnerin.« Pewter sah trotzdem nach. »Oh nein.« Sie setzte sich.
»Kein Mensch begräbt sein Baby in einem Koffer.« Tucker war entrüstet.
»Du hast es erfasst.« Murphy leckte den Hund am Ohr.
»Denkt ihr, was ich denke?«, fragte Pewter.
»Das kleine Ding wurde ermordet.« Mrs Murphy seufzte. »Tucker, meinst du, wir kriegen den Koffer aus dem Gerümpel raus?«
»Nein.«
»Die Ratten werden drangehen oder Waschbären.« Pewter war ganz betrübt. »Kannst du ihn wieder zudecken?«
»Ja. War nicht sehr tief. Wenn ihr beide helft, geht es ganz schnell.«
Tucker schob den Koffer zurück, drehte sich um und warf mit den Hinterbeinen Erde auf ihren Fund. Auch die Katzen schaufelten Erde.
Als der Koffer wieder bedeckt war, machten sie eine Verschnaufpause, dann krochen sie hinaus.
»Gehen wir nach Hause«, bat Pewter kleinlaut. »Tommy Van Allen werden wir nicht finden.«
26
Am Ostrand von Crozet, auf der Route 240, beherrschte die große Lebensmittelfabrik, die mehrere Unternehmen als Besitzer überlebt hatte, die Silhouette. Auf der Südseite der weißen Gebäude verliefen die Eisenbahnschienen, was ehemals sehr gelegen kam, wenn Wagenladungen voll Getreide aufs Abstellgleis rangiert werden mussten. Heutzutage fuhren riesige Lastzüge auf den Parkplatz, eine überdimensionale Asphaltfläche. Jedes Mal, wenn ein Fahrer den Gang wechselte, schoss eine dichte Dieselwolke in die Höhe, das Rauchsignal des Verbrennungsmotors.
Die mächtigen Kühlwagen transportierten die Tiefkühlware in entsprechende Lagerhäuser, von wo aus die Produkte direkt in die Tiefkühlabteilungen der Supermärkte geschafft wurden.
Das Beladen der Giganten auf dem Umschlagplatz bedeutete für die Männer ein Wechselbad aus höhlenartigen Gefrierkammern, sengender Hitze draußen und langen, kalten Lastzügen. Das war nicht gerade der begehrenswerteste Job in den Vereinigten Staaten, und viele Highschool-Abgänger aus Crozet, die an der Rampe arbeiteten, bereuten den Tag, an dem sie beschlossen hatten, es nicht auf dem College zu versuchen.
Viele Bewohner von Crozet arbeiteten in der Lebensmittelfabrik und ebenso viele nicht. Eigentlich war es merkwürdig, wie gering der gesellschaftliche Einfluss des großen Konzerns auf die Stadt war, wenn man davon absah, dass er morgens und nach Feierabend Verkehrsstaus
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