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Die Katze

Titel: Die Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding Kristian Lutze
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wir hätten, wenn wir einfach dem Prinzip von »leben und leben lassen« folgen würden.
    Das klingt aus meinem Mund vermutlich ziemlich ironisch. Aber daran glaube ich. Trotz allem.
    Meine Mutter wollte im Grunde nur alle glücklich machen. Jedes Mal wenn ich an sie denke, und ich denke oft an sie, sehe ich sie in ihrem braun-orangefarben geblümten Kittel über den Herd gebeugt in einem großen Eintopf rühren. Meine Mom ist nicht sehr groß, sogar noch kleiner als ich, und wiegt keine fünfzig Kilo. Seit sie im Rollstuhl sitzt, ist sie sogar noch dünner geworden, glaube ich. Aber ich wette, ihre Haare sind noch wie immer lockig, rotbraun und zu einem Dutt am Hinterkopf hochgesteckt, der mit einem braunen Netz bedeckt ist wie bei den Lebensmittelverkäufern im Supermarkt. Ich weiß noch, wie ich mich als kleines Mädchen einmal mit den Fingern darin verheddert habe, und das Netz hat sich an einem meiner Nägel verhakt und ist zerrissen, und mein Vater ist wütend geworden
und hat mir mit einer großen Schere die Nägel geschnitten, sodass meine Finger geblutet haben.
    Meine Mutter mochte es nicht, wenn mein Vater gegen einen von uns gewalttätig wurde. Sie versuchte, ihn zurückzuhalten, aber er hörte nicht auf sie. Manchmal machte ihr Flehen alles noch schlimmer. Und manchmal hat er sie auch geschlagen. Als sie einmal zähe Schweineschnitzel auf den Tisch gebracht hatte, wurde er so wütend, dass er ihr Gesicht in den Kartoffelbrei gedrückt hat. Und als ich daraufhin anfing zu weinen, hat er meinen Teller vom Tisch geworfen und mich gezwungen, vom Boden zu essen wie ein Hund.
    Wir hatten einmal einen Hund. Er hieß Sam. Mein Vater und mein Bruder haben ihn schrecklich gequält. Sie haben ihn im Garten angekettet und den Futternapf knapp außerhalb seiner Reichweite hingestellt. Der arme Hund kratzte über den Boden, um den Napf zu erreichen, aber er schaffte es nicht. Manchmal jaulte er tagelang, dann hat Ethan ihn getreten. Es war wirklich traurig. Meine Mutter hat ihm, wo immer sie konnte, ein paar Bissen hingeworfen, doch eines Tages hat mein Vater sie dabei erwischt und ziemlich übel verprügelt. Dann hat er den Hund vor unseren Augen erschossen. Danach hatten wir keine Haustiere mehr.
     
    »Mein Gott«, flüsterte Charley und hatte beinahe Angst weiterzulesen.
     
    Wahrscheinlich hört sich das alles schlimmer an, als es war. Meine Mutter hat immer gesagt, ich würde gern übertreiben. Und ich möchte nicht, dass Sie glauben, es hätte nicht auch gute Zeiten gegeben. Zum Beispiel als mein Vater mit uns allen nach Disney World gefahren ist. Es war Pammys zehnter Geburtstag, und er hat einfach ganz spontan entschieden, dass er zur Feier des Tages mit uns dorthin fahren wollte. Ich weiß nicht, ob ich schon erwähnt habe, dass wir in Dania wohnten, etwas südlich von Fort
Lauderdale, nicht weit vom Flughafen. Kennen Sie den Ort? Er ist wirklich sehr klein und wird immer noch kleiner. Früher war es mal ein wahres Mekka für Antiquitäten, aber mittlerweile erinnert es eher an eine Geisterstadt. In der Hauptstraße reiht sich ein unheimlicher alter Laden an den anderen. Früher sind die Leute aus ganz Florida zum Einkaufen dorthin gekommen. Aber in den letzten Jahren ist der Kundenstrom ziemlich versiegt, wahrscheinlich wegen Internet und eBay, und viele Läden haben dichtgemacht. Eigentlich schade. Jetzt gibt es gar nichts mehr.
    Zurück zu Disney World. Es war ganz toll. Wir haben in einem Hotel mit violetten Vorhängen und roten Wänden übernachtet. In Kissemee. Direkt in Disney World zu übernachten, konnten wir uns nicht leisten, aber es war okay. Wir mochten unser kitschiges kleines Hotel. Wir hatten zwei Zimmer, eins für meine Eltern und eins für Ethan, Pam und mich. Unser Zimmer hatte zwei Doppelbetten. In dem einen sollte Ethan schlafen, in dem anderen Pam und ich. Mitten in der Nacht hat Ethan mich allerdings in sein Bett getragen und ist neben Pam unter die Decke geschlüpft. Dann habe ich gesehen, wie er auf sie geklettert ist. Kurz darauf hörte ich sie weinen und flehen, er solle aufhören. Ich dachte, er würde sie kitzeln, und ich wollte nicht, dass er zu mir rüberkam und mich auch kitzelte, weil ich sehr kitzelig war, deshalb tat ich, als würde ich schlafen. Am nächsten Tag war Blut auf dem Laken, und ich hörte, wie Ethan Pam erklärte, wenn sie ein Wort sagen würde, würde es beim nächsten Mal noch schlimmer. Ich wusste nicht, wie man vom Kitzeln bluten konnte, und ich wollte es

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