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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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Wispern.
    Aber was spielte das schon für eine Rolle, wie laut sie sprach, da Bruder Emmerhart auf geheimnisvolle Weise doch ohnehin schon alles zu wissen schien. Vielleicht waren ihm nicht alle Einzelheiten bekannt, aber doch das Wesentliche.
    »Dir ist vergeben«, sagte Emmerhart schließlich. Und Johanna war erstaunt darüber, dass er ihr keine Bußen auferlegte, dass er noch nicht einmal besonders schockiert war. Ihr kam der Gedanke, dass Emmerhart – obwohl Priester und Mönch – doch mehr vom Leben kennengelernt hatte, als sie bisher ahnte.
    Emmerhart hatte ihre Überlegung wohl zumindest teilweise erraten. »Ihr solltet nicht denken, dass mir menschliche Regungen fremd sind, Johanna. Und den Versuchungen des Fleisches unterliegen wir alle, ganz gleich, was für Gelübde wir gegenüber Gott oder gegenüber uns selbst abgelegt haben.«
    »So blickt Ihr nicht auf meine Verworfenheit herab?«
    »Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein, so heißt es in der Heiligen Schrift. Wer bin ich, dass ich mich über Euch oder irgendeinen anderen Menschen stellen könnte.«
    Mit dieser Großherzigkeit hatte Johanna nicht gerechnet. Es war nur ein Gefühl, aber es machte sich ziemlich deutlich bemerkbar: das Gefühl, dass hinter dieser Großherzigkeit vielleicht noch etwas mehr steckte. Und auf einmal wartete sie darauf, dass er irgendeine Art von Gegenleistung dafür erwartete.
    »Geht jetzt zurück zu der Herberge, in der wir Lübischen untergebracht sind«, verlangte Emmerhart.
    »Aber …«
    »Ich habe erfahren, dass man einen Trupp von Reitern zu jenem Ort geschickt hat, an dem der Überfall stattgefunden haben soll. Herward selbst wird die Männer dorthin führen, und wenn sie zurückkehren, wird sich vielleicht erweisen, was wirklich geschehen ist.«
    »Das kann ich Euch so schon sagen«, flüsterte Johanna aufgeregt. »Man wird ein paar erschlagene Männer finden – Pieter van Brugsma und seine Begleiter. Aber niemand wird daraus irgendwelche Rückschlüsse ziehen können, wer das getan hat!«
    »Wir werden sehen«, erwiderte Emmerhart.
    »Es muss doch eine Möglichkeit geben, etwas für Frederik zu tun!«
    Bruder Emmerhart musterte Johanna eine ganze Weile. Sie hielt seinem Blick stand. War es richtig, sich ihm anvertraut zu haben? , fragte sie sich plötzlich. Aber wem denn sonst, wenn nicht ihm? Schließlich ist er doch schon so viele Jahre mein Beichtvater.
    »Ihr liebt diesen Mann offenbar wirklich«, stellte Emmerhart fest. »In solchen Fällen ist es wohl sinnlos, an die Vernunft eines klaren Gedankens appellieren zu wollen.«
    »Ich möchte einfach nur, dass ihm nichts geschieht. Und so, wie sich die Dinge im Moment darstellen, wird man ihm keine Möglichkeit geben, die Wahrheit darzulegen.«
    »Wartet wenigstens ab, bis die Reiter zurückkommen.«
    »Das ist nur Zeitverschwendung. Jemand will, dass er schuldig ist. Und vielleicht ist das sogar Herward von Ranneberg selbst! Könnte es nicht sein, dass er der Verräter ist? Vielleicht hat er seine Begleiter erschlagen oder ließ sie erschlagen?«
    »Warum sollte er das tun, Johanna?«
    »Aus demselben Grund, aus dem Frederik es getan haben soll: Weil Waldemar Herward von Ranneberg versprochen hat, ihm seinen Besitz und seine Privilegien in Helsingborg zurückzugeben.«
    »Wir alle müssen lernen, Wunsch und Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, werte Johanna. Und Ihr scheint in diesem Fall vielleicht einen getrübten Blick zu haben.«
    »Nein, es ist der Blick eines reinen Herzens, und ich glaube nicht, dass ich mich täusche, Bruder Emmerhart.«
    Der Mönch nickte langsam, sein Blick war dabei so intensiv auf Johanna gerichtet, dass sie es kaum aushalten konnte. Ein Blick, von dem sie das Gefühl hatte, dass er alles durchdringen und bis zum Grund ihrer Seele reichen könnte. Aber Johanna sagte sich, dass ihr dies nun gleichgültig sein müsse. Schließlich hatte sie nichts zu verbergen. Jetzt nicht mehr, nachdem sie ohnehin schon alles gebeichtet hatte, was bis dahin ihre Seele hatte schwer werden lassen. Jetzt ging es nur noch um eins: ein großes Unglück für einen geliebten Menschen zu verhindern. Ob sie und Frederik sich danach je wiedersahen, stand ohnehin in den Sternen – ebenso wie der Weg, den Johannas Leben in Zukunft nehmen sollte.
    »Vielleicht kann ich doch etwas für Euch tun«, sagte Bruder Emmerhart schließlich.
    »Ich bin Euch sehr dankbar. Was schlagt Ihr vor?«
    Der Mönch hob abwehrend die Hände. »Immer die Ruhe,

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