Die Kaufmannstochter von Lübeck
ihr ein deutliches Unbehagen aus.
»Ich hatte mich schon gefragt, warum dieser keusche Mönch ein so großes Interesse an dem Nordländer hat.«
»Ihr sprecht von Bruder Emmerhart?«, fragte Johanna, unsicher, worauf der Ehrlose Georg hinauswollte.
»Jetzt weiß ich, was diesen geilen Hurenbock zu diesem wahnwitzigen Plan angestiftet hat. Ihr seid eine bemerkenswerte Frau!«
»Der Herr möge Eurer finsteren Seele gnädig sein, Georg.«
»Wo bist du gewesen?«, fragte Grete, als Johanna in ihr gemeinsames Zimmer im »Großen Hahn« zurückkehrte.
Es war früher Morgen, und Grete hatte sich gerade für den Tag fertig gemacht. Johanna ließ sich auf ihrem Bett nieder, nachdem sie den Umhang abgelegt hatte. Ihre Kleidung hatte durch das Reiten ziemlich gelitten, aber das spielte jetzt alles keine Rolle. Im Augenblick war für Johanna nur eines wichtig. Frederik war in Freiheit, und die Chancen standen gut, dass er sich bis in seine nordische Heimat durchzuschlagen vermochte.
Ihre Schwester hatte sie in den Plan, den sie mit der tatkräftigen Unterstützung von Bruder Emmerhart gefasst hatte, natürlich nicht eingeweiht. Und ihrem Vater hatte sie gesagt, die Nacht betend im Dom verbringen zu wollen. Insgeheim schämte sie sich für diese Lüge. Aber sie hatte natürlich gewusst, dass weder ihr Vater noch ihre Schwester ihre Handlungsweise gebilligt hätten. Und Bruder Emmerhart? Er würde sicherlich dazu schweigen. Aber dafür war Johanna ihm nun etwas schuldig. Und irgendwann, das lag auf der Hand, würde der Mönch diese Gegenleistung auch einfordern, so wie er es bereits angedeutet hatte. Doch das alles hatte im Moment nur geringe Bedeutung. Frederik war frei. Der Mann, zu dem sie in einer so unverhofften und heftigen Liebe entbrannt war, brauchte zumindest zunächst nicht mehr um sein Leben zu fürchten. Und das erfüllte Johanna mit einer tiefen Zufriedenheit. Es war richtig, was sie getan hatte. Davon war sie von ganzem Herzen überzeugt.
Grete sah Johanna fragend an und wartete noch immer auf eine Antwort. Aber Johanna saß nur mit nach innen gekehrtem Blick da und seufzte.
»Du willst mir nicht erzählen, dass du die ganze Nacht beten warst«, meinte Grete. »Ich habe dich durch das Fenster kommen sehen. Du bist hoch zu Ross mit einem Mann dahergeritten, der dann das Pferd mitgenommen hat, nachdem du abgestiegen warst.«
Johanna blickte auf.
Olaf! Grete hatte sie offenbar mit ihm zurückkehren sehen und stellte sich nun verständlicherweise ein paar Fragen. Aber Johanna war nicht bereit, darauf zu antworten. »Stell mir keine Fragen, Grete«, sagte sie nur. »Ich kann dir darauf nicht antworten.«
»Jedenfalls war der Mann, mit dem du dahergeritten bist, ja wohl nicht Frederik von Blekinge, denn der sitzt ja noch immer in seinem Kerker.«
»Grete!«
»Was treibst du nur für ein Spiel, Johanna? Du tust einerseits so, als wärst du ach so fromm und als sei nur der Herrgott selbst für dich wichtig, und dann triffst du dich mit verschiedenen Männern.«
»Das … ist nicht so, wie du denkst«, versuchte Johanna, sich zu verteidigen, obwohl ihr natürlich klar war, wie das jetzt in den Ohren ihrer Schwester klingen musste.
Johanna erhob sich wieder. »Heute werden die Beratungen im Langen Saal des Rathauses fortgesetzt. Und deshalb werde ich meine Gedanken jetzt sammeln müssen.«
»Ja, vor allen Dingen wirst du deine Haare wieder sammeln müssen, denn bei den wilden Dingen, die du in der letzten Nacht getrieben haben musst, ist da wohl einiges durcheinandergeraten«, stichelte Grete.
»Der Schmerz über den Verlust deines zukünftigen Gemahls macht dich hart und ungerecht«, sagte Johanna in einem sehr verhalten klingenden Tonfall. »Ich werde dir das nicht verübeln – denn ich wüsste nicht, wie ich selbst auf so einen Schicksalsschlag reagieren würde.«
Gretes Gesicht wurde von einer dunklen Röte überzogen. Sie presste die Lippen aufeinander und schluckte schließlich. »Du scheinst ja wirklich die Heilige von uns beiden zu sein«, murmelte sie mit sehr bitterem Unterton. »Und ich wirke dagegen wie die verbitterte, bösartige Schwester, die es nicht verwinden kann, dass ihr Leben einem zerbrochenen Krug gleicht, der nie wieder heil werden kann.«
»Grete!«
»Und falls es dich beruhigt: Ich werde unserem Vater kein Wort von dem sagen, was ich gesehen habe! Das musst du mit dem Herrgott und deinem Gewissen ausmachen, Johanna!«
E inundzwanzigstes K apitel
Der Moment der
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