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Die Kinder aus Bullerbü

Die Kinder aus Bullerbü

Titel: Die Kinder aus Bullerbü Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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die Ofenglut, und wenn das Eisen so
    richtig glühend heiß ist, streiche ich mit dem Eisen an deiner
    Nase vorbei. Du bekommst einen Schreck und springst
    rückwärts, und dann ist der Zahn draußen.«
    »Ich werd dir was mit Brecheisen!«, schrie Ole wütend.
    Er fand Lasses Vorschlag gar nicht gut. Aber er band sich
    dann doch einen Zwirnsfaden um seinen Zahn, als wir
    heimkamen. Ab und zu wollte er ein wenig daran ziehen,
    damit der Zahn langsam lockerer würde. Irgendwie musste er
    den Zahn ja loswerden. Die Lehrerin wollte ja am nächsten
    Tag die Lücke sehen, hatte sie gesagt. Ich glaube, das war es,
    wovor sich Ole am meisten fürchtete - dass der Zahn schon
    am nächsten Tag draußen sein musste. Sonst würde die
    Lehrerin denken, er habe Angst vorm Zahnziehen.
    Und Ole wollte sicher nicht, dass sie das glaubte. Inga
    versuchte ihn zu trösten. Sie sagte:
    »Ach, vielleicht hat die Lehrerin deinen Zahn morgen schon

    vergessen.«
    Aber Inga wusste genauso gut wie Ole, dass unsere Lehrerin fast
    nie irgendetwas vergisst. Ihr gutes Gedächtnis ist geradezu
    gefährlich, sagt Lasse immer.
    Wie oft an Frühlingsabenden spielten wir unten am Weg
    Brennball. Und die ganze Zeit hing ein langer, schwarzer Faden
    aus Oles Mund heraus. Es sah komisch aus, wenn er lief.
    Manchmal vergaß er sicher seinen Zahn und den Faden und
    das ganze Elend, denn manchmal lachte er und redete wie
    gewöhnlich. Aber plötzlich sah er wieder düster und
    bekümmert aus, zog ängstlich am Faden und seufzte.
    »Jetzt ist es schon sieben Uhr und du hast deinen Zahn
    noch immer nicht raus«, sagte Lasse schließlich. »Sollen wir
    es nicht doch mit dem glühenden Brecheisen versuchen?« Und
    Bosse bat, den Zahn noch einmal sehen zu dürfen. Dann sagte
    er: »Du bist ja nicht normal, der hängt ja bloß noch an einem
    Hautfetzen. Zieh ihn doch endlich raus!«
    Ole zitterte, als er das hörte. Gerade dieser letzte kleine
    Hautfetzen ist das Schlimmste!

    Als wir keine Lust mehr hatten, Brennball zu spielen, gingen
    wir zu Großvater hinauf. Wir erzählten ihm, dass Ole einen
    losen Zahn hätte.
    »Er muss ihn heute Abend rausziehen«, sagte Lasse, »denn
    die Lehrerin will morgen früh das Loch sehen.«
    Ole war dem Weinen nahe, als er Lasse das sagen hörte.
    »Jajajaja«, sagte Großvater. »Jajajaja, diese Zähne! Als ich
    klein war...«
    »Ach, Großvater, erzähl uns doch, wie es war, als du klein
    warst«, bat Inga und kletterte auf Großvaters Schoß.
    Und da erzählte Großvater, dass er, als er noch ein Junge
    war, einmal einen ganzen Monat lang fürchterliche
    Zahnschmerzen gehabt hätte, sodass er endlich gezwungen
    gewesen wäre, zum Schmied zu gehen, um sich den Zahn
    ziehen zu lassen. Damals gab es hi unserer Gemeinde keine
    Zahnärzte. Und der Schmied nahm eine große Kneifzange
    und zog Großvater den Zahn heraus und es tat unheimlich
    weh. Aber als Großvater nach Hause kam, hatte er wieder
    fürchterliche Zahnschmerzen. Der Schmied hatte ihm den
    falschen Zahn gezogen. Und Großvater hatte noch einen
    ganzen Monat lang Zahnschmerzen. Er traute sich nicht, noch
    einmal zum Schmied zu gehen, weil es so wehtat, große
    Backenzähne mit einer gewöhnlichen Kneifzange ziehen zu
    lassen. Aber schließlich hatte Großvater solche
    Zahnschmerzen, dass er gehen musste. Und diesmal zog der
    Schmied den richtigen Zahn. Der Schmied musste sich mit
    gekrümmtem Arm an seine Kneifzange hängen, so fest saß der
    Zahn, und so lang waren die Wurzeln. »Armer Großvater«,
    sagte Ole.
    Aber ich glaube, er dachte dabei, dass sein Zahn mindestens
    genauso schwer zu ziehen sei, wenn der Zahn auch keine
    Wurzeln hatte,
    »Seltsam, Großvater, dass du auch einmal ein Junge gewesen
    bist und Angst vorm Zahnziehen gehabt hast«, sagte Inga.
    »Jajajaja, aber das ist schon lange her«, antwortete
    Großvater.
    »Jetzt habe ich nur noch drei Zähne, und die werden wohl
    nach und nach von selbst herausfallen.«
    »Dann brauchst du also nie mehr Angst zu haben?«, sagte Inga
    zufrieden.
    »Nein, nein, meine Kleine, nun brauche ich nie mehr Angst zu
    haben«, sagte Großvater.
    Danach ging er an den Eckschrank und holte die Tute mit
    Kandis für uns heraus. Wir bekamen jeder einen Klumpen
    Kandis und Großvater sagte lachend: »Esst niemals Kandis!
    Davon bekommt ihr nur Zahnschmerzen!«
    Wir sagten Großvater gute Nacht und gingen.
    »Na, was wird nun mit deinem Zahn?«, sagte Lasse zu Ole.
    »Soll der sitzen bleiben, bis du so alt bist wie

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