Die Kinder aus Bullerbü
die Ofenglut, und wenn das Eisen so
richtig glühend heiß ist, streiche ich mit dem Eisen an deiner
Nase vorbei. Du bekommst einen Schreck und springst
rückwärts, und dann ist der Zahn draußen.«
»Ich werd dir was mit Brecheisen!«, schrie Ole wütend.
Er fand Lasses Vorschlag gar nicht gut. Aber er band sich
dann doch einen Zwirnsfaden um seinen Zahn, als wir
heimkamen. Ab und zu wollte er ein wenig daran ziehen,
damit der Zahn langsam lockerer würde. Irgendwie musste er
den Zahn ja loswerden. Die Lehrerin wollte ja am nächsten
Tag die Lücke sehen, hatte sie gesagt. Ich glaube, das war es,
wovor sich Ole am meisten fürchtete - dass der Zahn schon
am nächsten Tag draußen sein musste. Sonst würde die
Lehrerin denken, er habe Angst vorm Zahnziehen.
Und Ole wollte sicher nicht, dass sie das glaubte. Inga
versuchte ihn zu trösten. Sie sagte:
»Ach, vielleicht hat die Lehrerin deinen Zahn morgen schon
vergessen.«
Aber Inga wusste genauso gut wie Ole, dass unsere Lehrerin fast
nie irgendetwas vergisst. Ihr gutes Gedächtnis ist geradezu
gefährlich, sagt Lasse immer.
Wie oft an Frühlingsabenden spielten wir unten am Weg
Brennball. Und die ganze Zeit hing ein langer, schwarzer Faden
aus Oles Mund heraus. Es sah komisch aus, wenn er lief.
Manchmal vergaß er sicher seinen Zahn und den Faden und
das ganze Elend, denn manchmal lachte er und redete wie
gewöhnlich. Aber plötzlich sah er wieder düster und
bekümmert aus, zog ängstlich am Faden und seufzte.
»Jetzt ist es schon sieben Uhr und du hast deinen Zahn
noch immer nicht raus«, sagte Lasse schließlich. »Sollen wir
es nicht doch mit dem glühenden Brecheisen versuchen?« Und
Bosse bat, den Zahn noch einmal sehen zu dürfen. Dann sagte
er: »Du bist ja nicht normal, der hängt ja bloß noch an einem
Hautfetzen. Zieh ihn doch endlich raus!«
Ole zitterte, als er das hörte. Gerade dieser letzte kleine
Hautfetzen ist das Schlimmste!
Als wir keine Lust mehr hatten, Brennball zu spielen, gingen
wir zu Großvater hinauf. Wir erzählten ihm, dass Ole einen
losen Zahn hätte.
»Er muss ihn heute Abend rausziehen«, sagte Lasse, »denn
die Lehrerin will morgen früh das Loch sehen.«
Ole war dem Weinen nahe, als er Lasse das sagen hörte.
»Jajajaja«, sagte Großvater. »Jajajaja, diese Zähne! Als ich
klein war...«
»Ach, Großvater, erzähl uns doch, wie es war, als du klein
warst«, bat Inga und kletterte auf Großvaters Schoß.
Und da erzählte Großvater, dass er, als er noch ein Junge
war, einmal einen ganzen Monat lang fürchterliche
Zahnschmerzen gehabt hätte, sodass er endlich gezwungen
gewesen wäre, zum Schmied zu gehen, um sich den Zahn
ziehen zu lassen. Damals gab es hi unserer Gemeinde keine
Zahnärzte. Und der Schmied nahm eine große Kneifzange
und zog Großvater den Zahn heraus und es tat unheimlich
weh. Aber als Großvater nach Hause kam, hatte er wieder
fürchterliche Zahnschmerzen. Der Schmied hatte ihm den
falschen Zahn gezogen. Und Großvater hatte noch einen
ganzen Monat lang Zahnschmerzen. Er traute sich nicht, noch
einmal zum Schmied zu gehen, weil es so wehtat, große
Backenzähne mit einer gewöhnlichen Kneifzange ziehen zu
lassen. Aber schließlich hatte Großvater solche
Zahnschmerzen, dass er gehen musste. Und diesmal zog der
Schmied den richtigen Zahn. Der Schmied musste sich mit
gekrümmtem Arm an seine Kneifzange hängen, so fest saß der
Zahn, und so lang waren die Wurzeln. »Armer Großvater«,
sagte Ole.
Aber ich glaube, er dachte dabei, dass sein Zahn mindestens
genauso schwer zu ziehen sei, wenn der Zahn auch keine
Wurzeln hatte,
»Seltsam, Großvater, dass du auch einmal ein Junge gewesen
bist und Angst vorm Zahnziehen gehabt hast«, sagte Inga.
»Jajajaja, aber das ist schon lange her«, antwortete
Großvater.
»Jetzt habe ich nur noch drei Zähne, und die werden wohl
nach und nach von selbst herausfallen.«
»Dann brauchst du also nie mehr Angst zu haben?«, sagte Inga
zufrieden.
»Nein, nein, meine Kleine, nun brauche ich nie mehr Angst zu
haben«, sagte Großvater.
Danach ging er an den Eckschrank und holte die Tute mit
Kandis für uns heraus. Wir bekamen jeder einen Klumpen
Kandis und Großvater sagte lachend: »Esst niemals Kandis!
Davon bekommt ihr nur Zahnschmerzen!«
Wir sagten Großvater gute Nacht und gingen.
»Na, was wird nun mit deinem Zahn?«, sagte Lasse zu Ole.
»Soll der sitzen bleiben, bis du so alt bist wie
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