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Die Kinder aus Bullerbü

Die Kinder aus Bullerbü

Titel: Die Kinder aus Bullerbü Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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und
    auch davon kam die Hälfte aufs Kleid. Das Kleid war jetzt
    nicht mehr weiß, sondern grün und rot, und nur an einzelnen
    Stellen, wo es Kerstin nicht geglückt war, Spinat und
    Fruchtsuppe hinzuspritzen, war es weiß geblieben.
    »Eins freut mich«, sagte Inga. »Jetzt wird dieses Kind
    Mittagsschlaf halten.«
    »Ja, du, darüber bin ich auch richtig froh«, sagte ich.
    Und so zogen wir Kerstin wieder alle Sachen aus und zogen
    ihr einen Schlafanzug an, und als wirdas getan hatten, waren wir völlig erledigt.
    »Wenn hier jemand einen Mittagsschlaf nötig hat, dann sind
    wir es«, sagte Inga zu mir.
    Wir legten Kerstin in ihr Bett, das in der Stube neben der
    Küche steht, gingen hinaus und machten die Tür hinter uns
    zu. Sofort begann Kerstin, aus vollem Halse zu schreien.
    Wir taten, als hörten wir es nicht, aber sie schrie und brüllte
    lauter und immer lauter. Schließlich steckte Inga den Kopf in
    die Stube und sagte: »Sei still, du ungezogenes Ding!«
    Es ist wohl richtig, dass man mild und freundlich mit kleinen
    Kindern sprechen soll, aber manchmal geht das nicht. Sicher
    hatte die Zeitung Recht, dass Kinder, mit denen man
    herumschimpft, widerspenstig werden. Kerstin ganz
    bestimmt. Denn sie brüllte schlimmer als vorher.
    Da gingen wir beide zu ihr hinein. Augenblicklich wurde sie
    still, stand in ihrem Bett auf, hopste auf und ab und rief »Hei,
    hei«. Und sie machte das, solange wir bei ihr waren. Sie
    steckte ihre kleine Hand durch das Gitter ihres Bettes und
    streichelte mich und legte ihre Backe an meine.
    »Lieb ist sie ja doch«, sagte ich.
    Da biss Kerstin mich in die Backe. Die Stelle war zwei Tage lang
    zu sehen.
    Wir legten sie im Bett hin und versuchten, die Decke um
    sie festzustopfen. Aber sie strampelte sie sofort wieder ab. Als
    sie sie zehnmal abgestrampelt hatte, gaben wir es auf. Wir
    sagten nur: »Nun schlaf gut, Kerstin!« Ganz mild und
    freundlich. Dann gingen wir hinaus und machten die Tür
    zu. Schwups, da fing sie wieder in den höchsten Tönen an
    zu schreien.
    »Nein!«, sagte Inga. »Jetzt ist es genug! Lass sie schreien!«
    Und wir setzten uns an den Küchentisch und versuchten,
    miteinander zu reden. Aber es ging nicht, denn Kerstin brüllte
    lauter und lauter und immer lauter. Es war so, dass man zu
    schwitzen begann, wenn man es nur hörte. Manchmal war sie
    einige Sekunden still, aber nur, um Luft zu holen für den
    nächsten Schrei.
    »Vielleicht tut ihr was weh?«, sagte ich endlich.
    »Du, ja! Stell dir vor, sie hat Bauchschmerzen«, sagte Inga.
    »Es kann auch der Blinddarm sein oder so was.«
    Und wir stürzten zu Kerstin in die Stube. Sie stand
    aufrecht in ihrem Bett, die Augen voller Tränen. Aber
    kaum hatte sie uns gesehen, sagte sie »Hei, hei«, begann im
    Bett auf und ab zu hopsen und lachte.
    »Dieses Kind hat keine Bauchschmerzen und auch nichts
    anderes«, sagte Inga jetzt. »Komm, lass uns gehen.«
    Wir warfen die Tür hinter uns zu und setzten uns wieder an
    den Küchentisch und saßen da und schwitzten und hörten, wie
    Kerstin lauter und lauter und immer lauter brüllte. Schließlich
    wurde es doch ruhig.
    »Wie himmlisch!«, sagte ich. »Jetzt ist sie endlich
    eingeschlafen.«
    Inga und ich holten Oles »Mensch, ärgere dich nicht« hervor
    und fingen an zu spielen und hatten es richtig gemütlich.
    »Kleine Kinder sollten eigentlich immer im Bett liegen«,
    sagte Inga. »Dann weiß man doch wenigstens, woran man
    ist.«
    Gerade da hörte ich einen eigenartigen Laut aus der Stube. Es
    hörte sich an wie ein zufriedenes Gemurmel, so wie es
    klingt, wenn kleine Kinder sich mit etwas Nettem
    beschäftigen.
    »Nein, das geht zu weit!«, rief ich. »Das Kind kann doch
    wohl nicht immer noch wach sein?«
    Wir schlichen zur Tür und guckten vorsichtig durchs
    Schlüsselloch. Wir sahen Kerstins Bett. Aber keine Kerstin.
    Das Bett war leer. Wir stürzten in die Stube hinein. Und ratet,
    wo Kerstin war! Im Kamin, der frisch gekalkt und ganz
    sauber war. Ich meine, er war sauber gewesen, bevor Kerstin gekommen war. Nun war er nicht mehr sauber.
    Denn Kerstin saß mitten im Kamin und hatte eine
    Schuhkremschachtel in der Hand. Sie war von oben bis unten
    schwarz von Schuhkrem und hatte nur noch hier und da weiße
    Stellen. Sie hatte Schuhkrem im Haar und Schuhkrem im
    ganzen Gesicht und Schuhkrem an den Händen und auf dem
    Schlafanzug. Ihre Zehen sahen aus wie kleine schwarze
    Negerzehen. Und der ganze weiße Kamin war mit Schuhkrem
    garniert.

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