Die Kinder aus Bullerbü
und
auch davon kam die Hälfte aufs Kleid. Das Kleid war jetzt
nicht mehr weiß, sondern grün und rot, und nur an einzelnen
Stellen, wo es Kerstin nicht geglückt war, Spinat und
Fruchtsuppe hinzuspritzen, war es weiß geblieben.
»Eins freut mich«, sagte Inga. »Jetzt wird dieses Kind
Mittagsschlaf halten.«
»Ja, du, darüber bin ich auch richtig froh«, sagte ich.
Und so zogen wir Kerstin wieder alle Sachen aus und zogen
ihr einen Schlafanzug an, und als wirdas getan hatten, waren wir völlig erledigt.
»Wenn hier jemand einen Mittagsschlaf nötig hat, dann sind
wir es«, sagte Inga zu mir.
Wir legten Kerstin in ihr Bett, das in der Stube neben der
Küche steht, gingen hinaus und machten die Tür hinter uns
zu. Sofort begann Kerstin, aus vollem Halse zu schreien.
Wir taten, als hörten wir es nicht, aber sie schrie und brüllte
lauter und immer lauter. Schließlich steckte Inga den Kopf in
die Stube und sagte: »Sei still, du ungezogenes Ding!«
Es ist wohl richtig, dass man mild und freundlich mit kleinen
Kindern sprechen soll, aber manchmal geht das nicht. Sicher
hatte die Zeitung Recht, dass Kinder, mit denen man
herumschimpft, widerspenstig werden. Kerstin ganz
bestimmt. Denn sie brüllte schlimmer als vorher.
Da gingen wir beide zu ihr hinein. Augenblicklich wurde sie
still, stand in ihrem Bett auf, hopste auf und ab und rief »Hei,
hei«. Und sie machte das, solange wir bei ihr waren. Sie
steckte ihre kleine Hand durch das Gitter ihres Bettes und
streichelte mich und legte ihre Backe an meine.
»Lieb ist sie ja doch«, sagte ich.
Da biss Kerstin mich in die Backe. Die Stelle war zwei Tage lang
zu sehen.
Wir legten sie im Bett hin und versuchten, die Decke um
sie festzustopfen. Aber sie strampelte sie sofort wieder ab. Als
sie sie zehnmal abgestrampelt hatte, gaben wir es auf. Wir
sagten nur: »Nun schlaf gut, Kerstin!« Ganz mild und
freundlich. Dann gingen wir hinaus und machten die Tür
zu. Schwups, da fing sie wieder in den höchsten Tönen an
zu schreien.
»Nein!«, sagte Inga. »Jetzt ist es genug! Lass sie schreien!«
Und wir setzten uns an den Küchentisch und versuchten,
miteinander zu reden. Aber es ging nicht, denn Kerstin brüllte
lauter und lauter und immer lauter. Es war so, dass man zu
schwitzen begann, wenn man es nur hörte. Manchmal war sie
einige Sekunden still, aber nur, um Luft zu holen für den
nächsten Schrei.
»Vielleicht tut ihr was weh?«, sagte ich endlich.
»Du, ja! Stell dir vor, sie hat Bauchschmerzen«, sagte Inga.
»Es kann auch der Blinddarm sein oder so was.«
Und wir stürzten zu Kerstin in die Stube. Sie stand
aufrecht in ihrem Bett, die Augen voller Tränen. Aber
kaum hatte sie uns gesehen, sagte sie »Hei, hei«, begann im
Bett auf und ab zu hopsen und lachte.
»Dieses Kind hat keine Bauchschmerzen und auch nichts
anderes«, sagte Inga jetzt. »Komm, lass uns gehen.«
Wir warfen die Tür hinter uns zu und setzten uns wieder an
den Küchentisch und saßen da und schwitzten und hörten, wie
Kerstin lauter und lauter und immer lauter brüllte. Schließlich
wurde es doch ruhig.
»Wie himmlisch!«, sagte ich. »Jetzt ist sie endlich
eingeschlafen.«
Inga und ich holten Oles »Mensch, ärgere dich nicht« hervor
und fingen an zu spielen und hatten es richtig gemütlich.
»Kleine Kinder sollten eigentlich immer im Bett liegen«,
sagte Inga. »Dann weiß man doch wenigstens, woran man
ist.«
Gerade da hörte ich einen eigenartigen Laut aus der Stube. Es
hörte sich an wie ein zufriedenes Gemurmel, so wie es
klingt, wenn kleine Kinder sich mit etwas Nettem
beschäftigen.
»Nein, das geht zu weit!«, rief ich. »Das Kind kann doch
wohl nicht immer noch wach sein?«
Wir schlichen zur Tür und guckten vorsichtig durchs
Schlüsselloch. Wir sahen Kerstins Bett. Aber keine Kerstin.
Das Bett war leer. Wir stürzten in die Stube hinein. Und ratet,
wo Kerstin war! Im Kamin, der frisch gekalkt und ganz
sauber war. Ich meine, er war sauber gewesen, bevor Kerstin gekommen war. Nun war er nicht mehr sauber.
Denn Kerstin saß mitten im Kamin und hatte eine
Schuhkremschachtel in der Hand. Sie war von oben bis unten
schwarz von Schuhkrem und hatte nur noch hier und da weiße
Stellen. Sie hatte Schuhkrem im Haar und Schuhkrem im
ganzen Gesicht und Schuhkrem an den Händen und auf dem
Schlafanzug. Ihre Zehen sahen aus wie kleine schwarze
Negerzehen. Und der ganze weiße Kamin war mit Schuhkrem
garniert.
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