Die Knochentänzerin
ordentlich aufräumen in der Serenissima.
Er ging zum Fenster und knurrte: »Ich wiederhole, du hast keine Ahnung vom Krieg.«
Aluicha räkelte sich im Bett. Von Falieros Überheblichkeit blieb sie unbeeindruckt. Sie überlegte laut: »Wenn ich es richtig verstehe, zählt doch nur eins: welches Ergebnis für Venedig am besten ist. Ich bin mir sicher, du weißt es schon längst.«
Faliero blickte hinaus auf den Lido, ohne die Schönheit der blauen Lagune zu sehen, auf der weiße Segel wie Seerosen trieben. Schließlich brummte er: »Natürlich geht es um Handelsvorteile und um die Vormachtstellung der Serenissima, was in diesem Falle beinahe auf dasselbe hinausläuft. Doch wer kann schon prophezeien, wie die Lage nach dem Krieg aussieht? Die Staatskassen beider Länder sind jetzt schon leer. Weder Johann noch Edward wird nach dem Krieg in der Lage sein, große Sprünge zu machen.«
»Hast du nicht selbst einmal gesagt, England sei der größte Konkurrent Venedigs, sowohl was den Handel als auch die Vormacht auf dem Meer betrifft?«
Faliero brummte irgendetwas und schenkte sich Wein ein. Aluicha war neben ihn getreten, aber er bemerkte sie erst, als er ihren Körper spürte. Ein schlanker weißer Arm schlang sich um seinen Nacken. Ihre Lippen streichelten sein Ohr: »Welch wunderschöner Anblick.«
»Was?«
»Der Lido. Wie blau das Wasser ist. Man möchte hineintauchen und darin schweben. Wie rein es aussieht.«
Faliero lachte. »Rein? Der gesamte Abfall Venedigs, die ganze Pisse und was sonst noch der Venezianer schwimmt darin herum.«
»Es sieht trotzdem wunderbar aus.«
Faliero befreite sich aus ihrem Schlangenarm und überlegte laut: »Edward ist der Stärkere. Johann ist nichts weiter als ein verwöhnter Schwächling. Der Engländer wird ihn fressen wie meine Muränen ihre Futterfische.«
»Bisher braucht er dafür aber reichlich viele Bisse.«
»Am Ende wird er ihn trotzdem hinunterschlingen und danach herzhaft rülpsen.«
»Ich finde, das muss verhindert werden, zum Wohle Venedigs.«
Faliero warf ihr einen Seitenblick zu. »Warum?«
Aluicha rieb ihren Kopf an seiner Schulter. »Du weißt doch, wie es ist. Erst frisst man den einen Fisch, dann kommt der nächste dran. So wird das Raubtier immer größer und fetter. Am Ende ist kein Platz mehr für andere.«
Faliero schob Aluicha beiseite und begann, auf und ab zu laufen. »Ich kann mich nicht auf die Seite der Franzosen schlagen«, überlegte er schließlich laut.
»Warum nicht?«
»Weil ich mit dem Engländer einen Handel geschlossen habe.«
»Mit Dandolos Mörder?«
»Ja.«
Aluichas Lachen klang nicht, wie so oft, hell und fröhlich, sondern verächtlich. »Du wirst dich wohl nicht an den Handel mit einem Mörder und Spion gebunden fühlen.«
Faliero fühlte mit einem Mal eine unbestimmte Unruhe. »Er ist kein gemeiner Mörder. Er ist ein hochgestellter Ritter Edwards, der keinem untersteht, außer dem englischen König.«
»Na und?«
»Schon einmal hatte er den Auftrag, einen Dogen zu ermorden – auch einen Dandolo: Francesco Dandolo. Es ist beinahe zwanzig Jahre her, und schon damals war Feuer sein Verbündeter.«
»Was tut das zur Sache …?«
Faliero setzte seinen Monolog fort, ohne auf Aluicha zu achten: »Es war die Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet seine Geliebte den Anschlag vereitelte. Der Engländer hatte den
bucintoro
angezündet und wollte sich gerade mit einem Dolch auf den Dogen stürzen, da tauchte sie unvermittelt auf, und er war darüber so überrascht, dass er für einen Augenblick zögerte. Dieses Zögern ließ seinen Plan scheitern.«
»Ein Spion und seine Geliebte, wie romantisch«, spottete Aluicha.
Falieros Blick schweifte in die Ferne. »Es gelang ihnen zu fliehen, doch später begingen sie die Dummheit, noch einmal nach Venedig zurückzukehren. Ich konnte sie fassen, und sie wurden zum Tode verurteilt.«
Nun schien Aluicha plötzlich von Falieros Erzählung gebannt. »Zumindest der Spion kam aber mit dem Leben davon. Hast du ihn begnadigt?«
Faliero schüttelte den Kopf. »Beiden gelang die Flucht.«
»Aus dem Gefängnis?«
»Nein. Wie es geschah, weiß ich nicht genau. Ich wollte den beiden nicht die Ehre erweisen, bei ihrer Hinrichtung zugegen zu sein. Ich verlas das Urteil, der Henker entzündete den Scheiterhaufen, ich verließ die Richtstätte. Zur gleichen Zeit zog ein gewaltiges Unwetter auf, mit Sturm, Hagel, Blitz und Donner. Der Himmel über Venedig war damals gelb wie der Schwefel der
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