Die Königsmacherin
sich nur schlafend stellte. Voll Leidenschaft stürzte er sich auf sie.
Wäre statt des Wermutzweiges ein Messer unter dem Kissen gelegen, Bertrada hätte nicht gezögert, es zu gebrauchen, so sehr empörte sie, was sie für den heuchlerischen Akt einer vorgetäuschten Zuwendung hielt. Genau wie damals am Bach empfand sie sein Eindringen als grausam und gewalttätig, und wie damals setzte sie sich auch diesmal nicht zur Wehr. Aber es gab doch einen entscheidenden Unterschied. Jetzt wurde sie nicht von einer verzweifelten Ohnmacht übermannt, sondern sie blieb kühl und beherrscht. Seine stürmischen Liebkosungen perlten wie Wasser auf Öltuch von ihr ab. Sie überlegte, ob ihr Mann in diesen Augenblicken wohl den jungen Körper der Langobardentochter vor Augen hatte. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, beschloß sie. Pippin würde sie nie wieder berühren. Sie verfügte über die Macht, ihm ihren Leib zu entziehen.
In den darauffolgenden Tagen bereitete Pippin abermals einen Feldzug gegen Aquitanien vor. Auch diesmal sollten ihn beide Söhne begleiten. Er war der ständigen Einfälle in dieses Land überdrüssig geworden, doch er brauchte nun einmal das Gebiet zwischen den Pyrenäen und der Garonne. Auf das Volk selbst hätte er gern verzichten können, galt es doch als ungezügelt, rauflustig und faul. Außerdem bediente es sich der lingua romana, einer Sprache, die kein zivilisierter Mensch verstand. Pippin beriet sich mit seinen Söhnen.
»Wir sollten das Volk enthaupten«, meinte Karl. »Seinen Führer aus dem Weg schaffen!«
»Aber es wird bestimmt nicht leicht sein, Herzog Waifar in ein Kloster zu verbringen«, gab Karlmann zu bedenken.
Mit offener Verachtung musterte Karl seinen Bruder.
»Kloster!« rief er belustigt. »Damit konnte man die Merowinger loswerden. Die Aquitanier bedürfen drastischerer Mittel. Kopf abschlagen, habe ich gesagt!«
»Und wie stellst du dir das im Kampf vor?« fragte Pippin. »Waifar hat eine ebenso lückenlose Leibwache wie ihr beiden.«
Herausfordernd sah Karl seinen Vater an. »Ist Caesar etwa im Kampf gestorben?«
Pippin fühlte sich mit einemmal etwas unbehaglich.
»Aquitanier sind sehr trinkfest«, fuhr Karl mit seiner hohen Stimme fort, die sich bei seiner Körpergröße so seltsam ausnahm. »Aber das bin ich auch. Ich werde mich mit einigen ihrer Führer zu einem Gespräch treffen und ihnen meine Vorschläge unterbreiten. Mein König braucht davon doch gar nichts zu wissen.« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
Voll Widerwillen musterte Karlmann seinen älteren Bruder. Er enthielt sich jedoch jeder Äußerung.
Im folgenden Frühjahr zog Pippin an die Garonne. Nach heftigen Kämpfen gelang es ihm innerhalb weniger Wochen, die widerspenstigen Basken zu unterwerfen. Während er den Sieg feierte und die nächsten Eroberungsschritte vorbereitete, erreichte ihn die Mitteilung, daß Herzog Waifar am hellichten Tag von seinen eigenen Leuten ermordet worden war.
Jetzt befand sich Aquitanien endgültig in fränkischer Hand und konnte sich von den Auswüchsen der Pippinschen Eroberungszüge erholen.
Auch Pippin selbst bedurfte dringend der Erholung. Er spürte, daß die Last der Jahre ihn zu beugen begann. Ein wenig neidete er seinen Söhnen ihren nie versiegenden Tatendrang. Gleich nach der Unterjochung Aquitaniens hatte Karl sich verabschiedet, um zum neugegründeten Königshof in Aachen zu reiten. Nicht nur, weil er diese Residenz besonders gern hatte, sondern vor allem, weil dort eine schöne Frau auf ihn warte, hatte er seinem Vater augenzwinkernd erklärt.
Auch Karlmann zog es zu einer Frau. Der Siebzehnjährige wollte Gerberga heiraten, eine illegitime Tochter des Langobardenkönigs. Ihre Mutter Tetrada, die Pippin noch aus Pavia kannte, war viele Jahre zuvor ihrem ersten Ehemann Eulalius davongelaufen. Dieser hatte es sich nämlich angewöhnt, mit mehreren Mägden sein Bett zu teilen, Freimädchen aufzusuchen und seine Gemahlin regelmäßig zu verprügeln. Tetrada ertrug es irgendwann nicht mehr und wandte sich um Unterstützung an den damals eben verwitweten Herzog Desiderius. Dieser war so sehr von der Schönheit der Frau entzückt, daß er sie kurzerhand für geschieden erklärte und vom Fleck weg selbst heiratete. Aber die unabhängigen langobardischen Gerichte waren streng und nahmen auch auf einen Herzog keine Rücksicht. Tetrada wurde verurteilt, weil sie ihren Mann verlassen hatte. Da spielte es keine Rolle, daß er aus Eifersucht einen seiner Neffen
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