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Die Lady mit dem Bogen

Die Lady mit dem Bogen

Titel: Die Lady mit dem Bogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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Aber was hatte er schon zu verlieren?
    Als die Wikinger zum nächsten Angriff erschienen, trat er mit einer Friedensfahne vor den Anführer, ohne zu wissen, ob die Eindringlinge die Fahne respektieren würden, doch taten sie es. Er wurde von ihrem Anführer begrüßt, der seinem Angebot Gehör schenkte. Der Urgroßvater meines Großvaters war gewillt, seine Enkelin und sein Land dem Anführer der Wikinger zu überlassen, wenn dieser auf seine Bedingungen einginge. Diese waren ganz einfach. Erstens durften die Wikinger diesen Teil der englischen Küste nicht mehr überfallen. Zweitens sollte der Anführer der Wikinger die Enkeltochter des Großvaters meines Urgroßvaters in einer christlichen Zeremonie zur Frau nehmen und geloben, ein Leben lang gut zu ihr zu sein. Nach dem Ableben des Alten, das nicht lange auf sich warten lassen würde, sollten sein Land und der angelsächsische Titel eines Jarl auf den Anführer der Wikinger übergehen.
    Der Anführer der Wikinger willigte ein, da er, nachdem er die Enkeltochter meines Ahnherrn gesehen hatte, sein Herz an ihre Schönheit verloren hatte, an ihre Sanftheit und ihre Klugheit, die sich mit jener ihres Großvaters messen konnte. Nach ihrer Vermählung hatte es mit den Raubzügen an der Küste ein Ende, und nachdem der Alte das Zeitliche gesegnet hatte, wurde der Wikinger ein geachteter Jarl, der umsichtig und weise über sein Land herrschte. Zu Ehren des Verstorbenen nannte er ihren Erstgeborenen Saxon und verfügte, dass in jeder nachfolgenden Generation ein Sohn den Namen Saxon tragen sollte, um der Familie Gedeihen sowie den ihr gebührenden Respekt zu sichern.«
    »Aber du bist ein zweiter Sohn.«
    »Ich hatte einen älteren Bruder, der diesen Namen bekam. Er starb nach Godards Geburt. Als ich geboren wurde, erhielt ich den Namen.«
    »Dein ältester Bruder starb zwischen dem Zeitpunkt deiner Geburt und jenem Godards? Wenn ihr Zwillinge seid …«
    »Wir wurden zu dritt geboren. Als Drillinge.« Er wandte den Kopf und sah zum Fenster hinaus. Schmerz schlich sich in seinen Ton ein. »Mein ältester Bruder starb an jenem Tag, unsere Mutter den Tag darauf. Ihr Wunsch war es, dass die Tradition fortgeführt würde, deshalb wurde ich Saxon genannt. Wie ich hörte, liebte sie diese Geschichte sehr.«
    Sie zog sein Gesicht zu sich. »Eine wunderbare Geschichte, Saxon. Du solltest sie in Töne setzen, zu Ehren deiner Mutter und deiner Ahnen.«
    »Das werde ich eines Tages vielleicht tun.« Er schwieg still, als Kirchenglocken im Morgenlicht erklangen. »Im Moment aber gibt es ungeachtet dessen, was ich vorhin sagte, eine andere Geschichte, die ich weiterhin genießen möchte, eine Geschichte, von der ich nicht möchte, dass sie endet. Vielleicht ist noch ausreichend Zeit, um …« Sein spitzbübisches Lächeln zeigte sich wieder.
    Sie beantwortete es mit einem Kuss, da sie begriff, was er unausgesprochen gelassen hatte. Verließen sie das Nest, das ihr Bett für sie war, würde der Zauber der Nacht von der Gefahr, die Königin und Hof drohte, überdeckt. Wann sie wieder ihren Pflichten entfliehen und sich einander hingeben konnten, war ungewiss. Sie schwor sich, dafür zu sorgen, dass es bald sein würde.

kapitel 15
    F reudige Stimmen stiegen zum Turm auf, wo Mallory stand und den Schleier zurechtzupfte, der ihr Haar bedeckte. Die helle, cremefarbige Seide bildete die passende Ergänzung zum Gelb ihrer Robe. Unter ihrem Schleier schlangen sich dunkle Flechten locker um ihren Kopf, eine Frisur, für die Ruby über eine Stunde aufgewendet hatte. Trotz aller Sorgfalt hatten sich ein paar Löckchen selbstständig gemacht und ringelten sich um ihr Gesicht. Stickerei in Blau und Gelb zierte den Halsausschnitt und die Säume der lang herabfallenden Ärmel.
    Sie musste an das letzte Mal denken, als sie ein Kleid aus Seide getragen hatte. Es war ein trauriges Grau gewesen, und sie hatte am Grab ihrer Mutter gestanden. Dichte Regenschwaden waren über die flachen Felder des väterlichen Besitzes gefegt. Im polierten Silberschild an der Wand konnte sie das Mädchen sehen, das sie damals gewesen war: verängstigt und einsam angesichts eines Betruges, den sie zwei Jahre lang zu ignorieren versucht hatte.
    Aber dieses Kind war sie nicht mehr. Sie war eine der Damen von St. Jude’s, gehörte zum Gefolge der Königin und hatte die Nacht in den Armen eines Mannes verbracht, der sie begehrte, eines Mannes, der ihr nicht mehr versprochen hatte, als bald wieder eine Nacht mit ihr zu

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