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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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dass er höchstens noch ein halbes Dutzend vergilbter Stummelzähne besaß.
    Wütend ballte er die Fäuste. »Mir wäre überhaupt nichts lieber! Ich will nur hier raus, meinetwegen können sie mich auch vorher foltern!«
    »Was für kühne Worte für einen so jungen Menschen! Lass dich erst einmal an diesem Seil hochziehen und warte, bis sie dich mit rücklings gefesselten Armen fallen lassen, dann gestehst du alles, was sie hören wollen.«
    Antonio stand auf und begann, unruhig in dem engen Verlies auf und ab zu gehen. Viel Raum blieb ihm dafür nicht. Drei Schritte in der einen Richtung und drei weitere wieder zurück.
    »Wenn sie mich foltern wollten, hätten sie es gleich erledigt. Wahrscheinlich haben sie mich einfach vergessen.«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Es kann eine Weile dauern, aber sie vergessen niemals jemanden.« In vergnügtem Tonfall fügte er hinzu: »Natürlich dürfen Kinder diesem Verhör nicht unterzogen werden. Man muss mindestens vierzehn sein, so steht es im Gesetz, und dasselbe gilt für schwere Körperstrafen.«
    »Könnt Ihr eigentlich nur Unfug daherreden?«, fuhr Antonio ihn an.
    »Oho, mein ärgerlicher junger Hitzkopf! Was glaubst du denn, wen du vor dir hast?«
    »Woher soll ich das wissen? Ihr habt mir Euren Namen genannt und Eure Tätigkeit, aber was zum Teufel soll ich daraus für Schlüsse ziehen?« Herausfordernd blickte er den Alten an. »Was habt Ihr verbrochen?«
    »Ah, diese Frage habe ich erwartet, und ich kann dir nur dasselbe sagen wie der Obrigkeit. Ich bin unschuldig. Armes Opfer einer gnadenlosen Justiz.« Der Alte seufzte. »Nenn mich Raffaele und sag Du zu mir. Das macht es für uns beide einfacher. Einander beim Sterben zuzusehen erzeugt Vertraulichkeit.«
    Antonio hatte den deutlichen Eindruck, dass Raffaele zu einer gewissen Theatralik neigte, und mit neu aufkeimender Hoffnung erwog er, dass vielleicht sämtliche Überlegungen seines Zellengenossen über Verhöre am Folterseil maßlos übertrieben waren.
    »Ich habe nicht vor, mir von dir beim Sterben zuschauen zu lassen, Raffaele«, teilte er dem Alten mit. Er reckte sich unwillkürlich. »Weil ich nämlich nicht plane, so bald zu sterben. Mir wird schon was einfallen. Mir ist bisher immer was eingefallen.«
    Raffaele, der sich seit seinem Aufwachen zusehends von seiner anfänglichen Benommenheit erholt zu haben schien, musterte ihn mit sichtlichem Entzücken. »Was für eine Begabung!«
    »Wie?«
    »Du bist von der Muse geküsst, mein Sohn.«
    Antonio wusste nicht, ob er aufbrausen oder lachen sollte. »Was zum Teufel soll dieses komische Gerede?«
    »Ich vermute, dass du keine Ahnung hast, wie überaus beeindruckend du bist! Die Art, wie du dich vorhin in die Brust geworfen hast – das war unglaublich! Kannst du das noch einmal machen?« Raffaele rülpste hinter der vorgehaltenen Hand. »Du bist der geborene Schauspieler, wirklich!« Er schnüffelte. »Du stinkst zwar widerwärtig und ungefähr hundertmal schlimmer als alles, was ich bisher gerochen habe, aber deinem Talent tut es keinen Abbruch.«
    »Du bist betrunken, alter Mann.« Antonio lehnte sich gegen die Zellenwand und versuchte, die Kälte des Mauerwerks in seinem Rücken zu ignorieren und nicht daran zu denken, dass er sich seit Wochen nicht hatte waschen können. Die Läuse fraßen ihn bei lebendigem Leib auf, aber was machte das schon, wenn ihm der eigene Hunger die Eingeweide aushöhlte.
    »Ich bin oft betrunken«, bekannte der Alte. »Aber glaub mir, das hindert mich keineswegs am Denken. Es hilft mir nur, den Tag zu überstehen.«
    Das war für Antonio nichts Neues. Er kannte jede Menge Leute, die sich schon früh am Morgen eine ausreichende Portion Fusel einverleibten, weil sie nur im Suff den Widrigkeiten des Alltags gewachsen waren. Antonio hatte selbst schon den einen oder anderen Rausch erlebt, doch er fand nicht, dass es sich lohnte, diesen Zustand allzu häufig herbeizuführen. Alles verschwamm einem vor den Augen, man wurde albern und fing an, herumzustolpern, und die Übelkeit sowie das Kopfweh am nächsten Tag waren unbeschreiblich. Er hielt nichts vom Trinken, ganz abgesehen davon, dass guter Branntwein nicht billig war. Von schlechtem Schnaps war, wie er außerdem wusste, schon so mancher arme Teufel erblindet.
    »Deine Art zu sprechen lässt auf Bildung schließen«, sagte Raffaele. Er ließ sich wieder auf dem Zellenboden nieder und verschränkte die Arme vor dem Körper. »Es ist kalt hier unten, was?«
    »Es wird nachts

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