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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sich. »Gott im Himmel«, murmelte sie durch einen wirren Vorhang grauer Haare, der vor ihrem Gesicht lag. Antonio gab Ippolito einen Tritt, was diesen dazu veranlasste, mit einem wütenden Ausruf davonzutaumeln, in Richtung des zum Kanal weisenden Tors. Im Vorbeigehen schnappte der Schauspieler sich noch einen in Wachspapier eingewickelten Fisch, von dem er ein großes Stück abbiss, während er ins Freie rannte.
    Antonio hob die Frau auf, um sie nach draußen zu tragen. Dabei fiel ihr Kopf nach hinten und damit auch ihr Haar, was zugleich den Blick auf ihr Gesicht freigab. Antonio hätte die Alte um ein Haar fallen lassen.
    »Monna Crestina!«, stammelte er.
    Sie wand sich in seinen Armen. »Lass mich herunter, mir geht es gut! Wo ist sie?«
    Er gehorchte ihrem Befehl und stellte sie auf die Füße. Sie torkelte zur nächstgelegenen Wand und stützte sich ab, während sie sich mit panischem Gesichtsausdruck umsah. »Wo ist sie? Wo ist das Mädchen?«
    Antonio blickte zweifelnd in die überall aufschießenden Flammen und hielt sich den Arm vors Gesicht, um seine Augen gegen die starke Hitze zu schützen. »Wen meint Ihr? Mansuetta?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Laura! Sie muss hier irgendwo sein!«
    »Hier drin ist niemand mehr. Wenn sie hier war, ist sie hinausgelaufen. Kommt ins Freie, dort wird es Euch gleich besser gehen!« Er packte sie beim Arm und zog sie ungeachtet ihrer Gegenwehr endgültig durch das Tor nach draußen, weg von den Flammen. Hinter ihnen zerrten Helfer die Bewusstlosen aus der Gefahrenzone, gerade noch rechtzeitig, bevor krachend die ersten Balken herabfielen.
    Auf der Fondamenta unweit der Rialtobrücke erhob sich von allen Seiten gellendes Geschrei. Die Hitze strahlte mit sengender Glut über den Canalezzo. Antonio sah sich um und erkannte gleich darauf, dass das Feuer sich in erschreckendem Ausmaß ausgebreitet hatte. Von der rückwärtigen Wand des Lagerhauses aus hatte es auf eines der umliegenden Dächer und von dort aus auf die deutsche Handelsniederlassung übergegriffen, den Fondaco dei Tedeschi, der bereits in hellen Flammen stand. Eine Feuersbrunst hüllte das ganze Gebäude ein. Menschen hatten sich auf dem Kai versammelt und versuchten in verzweifelter Eile, aus den Lagerräumen gerettete Güter in Boote und Karren zu laden, um sie aus der Reichweite des Feuers zu schaffen. Stinkende Schwaden trieben über das Wasser des Canal Grande und stiegen vom Dach des brennenden Hauses zum Himmel auf, bis die ganze Umgebung in Wolken dichten Rauchs gehüllt war. Es roch nach verbranntem Holz und verkohlten Stoffen, aber vage waren unter dem Gestank nach Ruß und Qualm auch Wohlgerüche von Gewürzen wahrzunehmen, die säcke- und körbeweise auf die Flöße und Karren geschafft wurden. Das Brüllen verängstigter Esel schallte über die Fondamenta, während immer mehr Leute sich anschickten, dem Feuer mit Löschversuchen beizukommen. Es bildeten sich Ketten aus Männern, die gefüllte Eimer vom Kanal weiterreichten, so nah heran an das Feuer, wie es die Hitze gerade noch zuließ. Schritt für Schritt benetzten sie die Umgebung des Brandes, vor allem aber die hölzerne Brücke, um den Flammen die weitere Nahrung zu entziehen und eine zusätzliche Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Auch so war die Katastrophe schon schlimm genug. Der Fondaco dei Tedeschi war das reichste Handelshaus der Stadt, hier lagerten Waren von unvorstellbarem Wert, von denen nun der größte Teil in Flammen aufgegangen war.
    »Monna Crestina?«, rief Antonio. Bestürzt wurde er gewahr, dass sie Anstalten machte, wieder zurück in das brennende Lagerhaus zu laufen. »Bleibt hier, um Gottes willen! Es kann nicht lange dauern, bis das Dach einstürzt! Da drin ist niemand mehr!« Er erreichte sie gerade eben noch, bevor sie versuchen konnte, in das qualmende Innere der Halle vorzudringen, einen Zipfel ihres strohigen Haars vor Mund und Nase gepresst.
    »Tut das nicht!« Er packte sie bei der Schulter und riss sie zurück, mühelos und beinahe ohne Kraftaufwand, fast genauso, wie er früher die Säcke mit den frisch gepflückten Kräutern angehoben und weggetragen hatte.
    »Du verstehst nicht!«, rief sie aus, während sie strampelte und trachtete, sich seinem Griff zu entwinden. Ihre Stimme war ungewohnt rau und heiser, geschwächt von dem vielen Rauch, den sie eingeatmet hatte. »Ich muss sie finden! Ich darf sie nicht ihrem Schicksal überlassen, niemals!« Ihre Augen waren angstvoll geweitet. »Ich habe ihn gesehen!

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