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Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman

Titel: Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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üblichen lärmenden Geschäftigkeit am und auf dem Kanal und des allgegenwärtigen Rauschens des Wassers schien es Laura manchmal, als seien alle Geräusche verstummt, weil die Welt den Atem anhielt. Doch die Tage verstrichen wie immer, und Laura begann zu glauben, dass sie an Gedankenverwirrung litt. Sie hätte am liebsten schreien und den Kopf gegen die Wand schlagen mögen, weil sie die Anspannung kaum noch aushielt.
    In der Nacht hatte es geregnet, und die Sonnenstrahlen brachen sich in den Tropfen, die von den Holzstäben an den Dachtraufen perlten und die Brüstungen der Loggien benetzten. Myriaden von funkelnden Tupfen schienen dort zu tanzen, begleitet von den aufblitzenden Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche.
    Obwohl Laura sonst stundenlang dieses Zusammenspiel von Sonne und Wasser betrachten konnte, schloss sie das Fenster. Sie lauschte nach nebenan, wo ihre Eltern sich mit gedämpften Stimmen unterhielten. Die beiden blieben oft bis weit in den Vormittag im Bett und tuschelten oder lachten miteinander, manchmal übermütig und fröhlich wie zwei Kinder, manchmal so leise und heimlichtuerisch, dass Laura unwillkürlich das Bedürfnis überkam, hinüberzulaufen und sich zwischen sie zu werfen, weil sie sicher war, dass ihre Eltern sich in diesen Momenten umarmten und einander liebkosten.
    Die Liebe zwischen Guido und Anna Monteverdi war fast mit Händen zu greifen, so stark war sie. Laura fühlte sich zuweilen wie ein Eindringling angesichts dieser vollkommenen Zweisamkeit.
    Guido und Anna Monteverdi schienen in ihrer eigenen Welt zu leben, in der es neben ihrer Kunst nur wenig Raum für den Alltag gab. Lauras Mutter schrieb Sonette, spielte auf der Leier und sang dazu, hingebungsvoll und mit entrückter Miene, während der Vater in seiner Werkstatt Kartons für die Fresken entwarf, mit denen er die Häuser der wohlhabenden Venezianer verzierte.
    Während die Mutter nur zum Zeitvertreib dichtete und sang, verdiente der Vater mit seiner Malerei genug Geld, um ihnen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Sie besaßen eine gepflegte Wohnung und eine eigene Gondel, und sie konnten sich immer ordentliche Kleidung und gutes Essen leisten. Zweimal die Woche kam sogar eine Magd, um das Haus zu säubern, die Wäsche zu waschen und heiße Mahlzeiten zuzubereiten. An den übrigen Tagen aßen sie kalt, denn Lauras Mutter konnte nicht kochen und hatte außerdem Sorge, sich an dem Ungetüm von Herd zu verbrennen.
    Laura wusste, dass sie nicht reich waren, denn die wirklich begüterten Leute lebten in luxuriösen Palazzi und kleideten sich in Samt und Seide, und ihre Gondeln waren genauso herausgeputzt wie die Diener, von denen sie sich durch die Stadt rudern ließen.
    Doch ihre Familie war auch weit davon entfernt, arm zu sein. Laura hatte viele Male aus nächster Nähe mitbekommen, wie die mittellosen Menschen in Venedig aussahen. Zerlumpt, verlaust und abgemagert lungerten sie in den Straßen herum und ernährten sich von den Abfällen der Reichen. Sie hausten entweder in stinkenden Löchern von Mietskasernen oder schliefen in Bretterverschlägen am Stadtrand oder gar unter freiem Himmel. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie als Tagelöhner oder Bettler. Oder sie stahlen ganz einfach, was sie brauchten.
    Unwillkürlich musste Laura an den Taschendieb denken, der sich in der Woche zuvor so dreist benommen hatte. Es war ihm zwar nicht gelungen, sich mit der Börse des jüdischen Kaufmanns davonzumachen, doch bestimmt hatte er bereits beim nächsten Mal wieder mehr Glück gehabt. Er hatte es sehr geschickt angestellt, und hätte nicht zufällig sein winziges Messer in der Sonne geblitzt, wäre ihr sein Treiben überhaupt nicht aufgefallen, obwohl sich der ganze Diebstahl direkt vor ihren Augen abgespielt hatte.
    Sie wusste nicht, warum sie überhaupt zu ihm hinübergeschaut hatte. Etwas an ihm hatte ihre Aufmerksamkeit erregt, ohne dass sie hätte sagen können, was es war. Bei dem Sklavenjungen hatte es dagegen genug Gründe zum Hinstarren gegeben, schließlich hatten ihn alle Leute auf der Riva angeglotzt, als er in Fesseln an Land gekommen war.
    Laura stand vom Fensterbrett auf und lief unruhig im Zimmer hin und her, ohne zu wissen, was sie tun sollte. Um nach unten zu gelangen, hätte sie durch die Kammer ihrer Eltern gehen müssen, und das wollte sie lieber vermeiden. Sie fürchtete sich vor den verstohlenen, unsicheren Blicken, mit denen vor allem ihr Vater sie seit der vergangenen Woche bedachte, und die

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