Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Nervosität, die ihre Mutter an den Tag legte, war ihr ebenso wenig geheuer.
Ihre Eltern gaben sich erkennbar Mühe, leise zu sprechen, doch wenn Laura genau hinhörte, konnte sie trotzdem einzelne Fetzen der Unterhaltung auffangen.
Sie wusste, dass Lauschen eine Sünde war, doch ihre Neugier war auch diesmal stärker als alle Skrupel. Ein Ohr an die Tür gepresst, horchte sie angestrengt nach nebenan, um ihre Eltern besser verstehen zu können. In den letzten Wochen hatten sie nicht mehr gelacht oder gescherzt im Bett, im Gegenteil. Ihre Mutter schaute verzagt drein, solange sie sich unbeobachtet glaubte, und nur, wenn sie bemerkte, dass Laura sie ansah, rang sie sich ein Lächeln ab.
»... hat erzählt, dass sie ihn wieder am Rialto gesehen hat«, hörte sie ihre Mutter sagen.
»Wer konnte damit rechnen?«, kam die leise Antwort des Vaters. »Nach all den Jahren! Neapel ist so weit weg!«
»Nicht weit genug«, erwiderte die Mutter. »Es war uns beiden klar, dass er irgendwann hier auftaucht.«
»Was sollen wir tun?« Die Stimme des Vaters klang gepresst.
»Wichtig ist, dass du dich nicht zu sehr aufregst. Du musst an dein Herz denken, das weißt du. Der Medicus hat dich gewarnt.«
»Aber wir müssen etwas tun«, gab der Vater zurück. »Das sollte dir genauso klar sein wie mir! Wie sollen wir uns sicher fühlen, wenn er in der Stadt ist?«
»Und was schlägst du vor?«, kam es von der Mutter.
»Wir könnten verschwinden, bevor er uns findet. Noch bleibt uns Zeit.«
»Das ist unmöglich! Du hast gehört, was die Hebamme gesagt hat! Das Kind kann jede Stunde auf die Welt kommen! Außerdem ist doch gar nicht gesagt, dass er uns findet. Warum sollte er ausgerechnet hier und jetzt nach uns suchen – nach all den Jahren!«
Laura hörte ihre Mutter kurz und bitter auflachen. Die nachfolgende Antwort konnte sie nicht verstehen, sie war zu leise.
Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen, und ihr Vater starrte sie an.
»Du hast gelauscht.«
Laura erwiderte seinen Blick, überrascht und eingeschüchtert von den starken Regungen, die über sein Gesicht huschten und die sie zunächst nicht richtig deuten konnte. Dann schaute sie ihn genauer an und sah, wie verzweifelt er war.
»Es tut mir leid«, stammelte sie. »Ich werde es beichten, das verspreche ich! Ich will mich gut benehmen und nicht mehr ungehorsam sein!«
Einen Augenblick lang wirkte seine Miene noch gequält, doch gleich darauf stahl sich ein Lächeln auf seine Züge.
»Du willst nicht mehr ungehorsam sein, wie?«
Sie nickte zaghaft.
Jetzt lächelte Guido breiter. »Sie will gehorchen. Meine widerborstige, dickköpfige Kleine.« Er wandte sich zu Anna um. »Hast du das gehört?«
Vom Bett her erklang ein Räuspern, dann ein leises Kichern. »Ich habe es wohl gehört, aber ich glaube es nicht.«
Laura stieß erleichtert den Atem aus. Ihre Eltern waren nicht böse auf sie! Nicht, dass sie es schon oft gewesen wären, aber hin und wieder war es eben doch vorgekommen, meist im Zusammenhang mit unverzeihlichen Unbotmäßigkeiten, die sie sogar selbst sofort als solche erkannt hatte. Es war ja nicht so, als hätte sie nicht brav sein wollen. Sie gab sich ständig Mühe, folgsam zu sein. Doch aus irgendwelchen ihr unerklärlichen Gründen wollte es ihr nie recht gelingen, ihre guten Vorsätze auch zu verwirklichen. Sie konnte es einfach nicht durchhalten. Es lag, wie Monna Pippa ihr schon mehrfach klargemacht hatte, an ihren roten Haaren. Rotes Haar, so hatte Monna Pippa ihr ernst versichert, sei mit dem Teufel im Bunde. Guido hatte das als Unfug abgetan, doch Laura war seither unsicher, ob diese Beurteilung der Nachbarin nicht vielleicht doch einen wahren Kern hatte, zumal einige andere Leute aus der Nachbarschaft, die ihr aufbrausendes Wesen kannten, sich ähnlich geäußert hatten.
Ihr Vater lächelte immer noch, auch wenn er dabei leicht erschöpft wirkte.
»Ich weiß, dass du voll von gutem Willen bist, aber manchmal ist dein Temperament eben stärker als die Vernunft.«
»Ist das sehr schlimm?«, fragte Laura, in dem kläglichen Bewusstsein, wie beschämend unzulänglich ihr Charakter war.
»Wir lieben dich so, wie du bist.« Ihr Vater streckte die Arme aus und zog sie an sich, und Laura schmiegte sich bereitwillig an ihn. Sie presste ihr Gesicht an seine Brust und fühlte dort sein Herz schlagen, kräftig und beruhigend. Er würde sie beschützen, sie und Mutter, und es würde alles gut werden.
Als hätte der Vater gespürt, wie
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