Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
Aufgüsse? Heil- und Brandsalbe?«
Silvano starrte ratlos die Reihe der staubigen Gläser und zum Teil bereits angefaulter Säckchen entlang. »Da müsste doch irgendwo ... Es war lange niemand mehr hier, der solches Zeug wollte, wisst Ihr. Aber ich müsste mal nachsehen ...« Ein Knall ertönte, und er fuhr zusammen. »Mein Experiment!«, schrie er entsetzt. »Es verdirbt!«
Mit weiten Sprüngen rannte er durch die offen stehende Tür in den benachbarten Raum, mitten hinein in die aufsteigenden Dämpfe. Barnabas setzte seinem Herrn mit begeistertem Kläffen nach. Laura folgte den beiden ohne Zögern, während Veronica voller Skepsis stehen blieb. »Da drin stinkt es wie in der Hölle. Geh da nur nicht rein! Wer weiß, vielleicht explodiert gleich alles!«
Dem wollte Laura nicht ohne weiteres widersprechen. Sie fand den Alten vor einem merkwürdigen, turmartig geformten Eisenofen, in dem sie sofort einen Athanor erkannte, das wichtigste Hilfsmittel eines eingefleischten Alchimisten. Nur mit Hilfe dieses Ofens konnten Alchimisten ihr vorrangiges Ziel verfolgen: die Herstellung des Lapis Philosophorum , des Steines der Weisen, auch Großes Elixier genannt. Jene begehrte Substanz vermochte unedle Metalle in schieres Gold zu verwandeln. Gleichzeitig war es eine Universalmedizin, die alle Krankheiten heilen konnte. Außerdem diente es als Mittel, den Körper zu verjüngen, und war somit Garant für ewiges Leben. Mit anderen Worten, der Stein der Weisen war ungemein vielseitig. Es musste ihn nur erst jemand finden. Seit Urzeiten waren Alchimisten dieser Substanz auf der Spur, und immer wieder wurden vielversprechende Entdeckungen bekannt gegeben, doch bei näheren Erkundigungen verpufften alle neuen Mirakel zu bloßen Gerüchten und Märchen.
Laura wusste, dass Crestina ebenfalls überlegt hatte, sich einen Athanor anzuschaffen, doch von anderen Alchimisten hatte sie gehört, wie zeitraubend die Arbeit damit war, ohne dass dabei nennenswerte Ergebnisse herauskamen. Auch Laura hatte nie ernsthaft in Erwägung gezogen, einen Athanor zu benutzen, sondern sich wie die meisten Drogisten zur Anschaffung eines Alambiks als wichtigeres alchimistisches Hilfsmittel entschieden. Mit dem Destilliergerät ließen sich immerhin viele nützliche Arzneien und andere Ingredienzien herstellen, unter anderem ein so unverzichtbares Fluidum wie feiner Weingeist. Oder auch edles Parfüm. Nebenher konnte man die Herstellung neuartiger alchimistischer Mittel erproben, so wie Laura es mit der Herstellung von Baldriantropfen getan hatte, durch die angeblich die Sehkraft zunahm. Die Leute, die es bisher gekauft hatten, waren von dem Extrakt sehr angetan. Nicht etwa, weil davon ihre Augen besser wurden, sondern weil er sich beruhigend auf das Gemüt auswirkte und einen hervorragenden Schlaf verschaffte. Das hatte ihr auch Mansuetta mehrfach bestätigt.
Laura sah sich in der Offizin Silvanos um und erkannte sogleich, dass sich hier ein breites Betätigungsfeld für sie auftat, wenn man erst einige der vielen fragwürdigen Behältnisse mit den stechend riechenden Substanzen zur Seite geräumt hatte. Der Raum war groß, verfügte über ausreichende Arbeitsflächen und war gut zu belüften, auch wenn im Augenblick beide Fenster und die rückwärtige Tür geschlossen waren. Es gab zwei Alambiks, einen aus Kupfer und einen neueren aus Glas, die Silvano bestimmt nicht beide gleichzeitig für seine merkwürdigen Experimente brauchen würde.
Günstiger hätten die Voraussetzungen mithin gar nicht sein können. Nun galt es nur noch, den Apotheker von ihrer Eignung und ihrer Bereitschaft zu überzeugen, diese marode Farmacia wieder auf Vordermann zu bringen. Das Sortiment im Laden war so erbärmlich, dass er vermutlich binnen weniger Monate würde schließen müssen, wenn er nicht bankrott gehen wollte.
Es konnte nicht schaden, wenn sie sich für seine Experimente interessierte, allein um vorab sicherzustellen, dass er sich und andere hier nicht vergiftete.
»Messèr Silvano, woran arbeitet Ihr denn gerade, wenn ich Euch das fragen darf?«
Er öffnete die Ofenklappe und machte schwimmartige Bewegungen mit beiden Armen, um den Rauch zu vertreiben. »Ihr werdet es nicht für möglich halten, aber ich bin dabei, den Stein der Weisen herzustellen«, erklärte er hustend.
»Was nehmt Ihr dazu, außer Schwefel?«
»Verschiedene geheime Zutaten«, erwiderte Silvano knapp. »Durch Digerieren erzeuge ich eine Prima Materia , die vielfältig anzuwenden
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