Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
herum, die anmutigen Bewegungen untermalt vom Schweben ihrer bunten Seidenschleier. Auf Sesseln und Liegesofas lagerten ein knappes Dutzend Männer, die sich von leicht geschürzten Mädchen liebkosen und mit Leckerbissen füttern ließen. Ein Diener ging herum und servierte Getränke.
Antonio ließ seine Blicke durch den von Kerzenlicht erhellten Raum schweifen. Eine der tanzenden hellhaarigen Frauen entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Valeria. Als sie Antonio sah, hörte sie auf zu tanzen und kam auf ihn zu.
»Wie schön, dass du heil und gesund zurück bist!« Ihr Lächeln wirkte glücklich, doch Antonio meinte hinter dem Ausdruck von Freude auch eine gewisse Gequältheit wahrzunehmen, und er ahnte den Grund für ihre Probleme.
Sie nahm seine Hände, und dann schloss sie ihn kurzerhand in die Arme. Flüchtig erwiderte er ihre Umarmung, wobei er sich fragte, welche Ziele sie wohl damit verfolgte. Noch nie hatte sie einem Mann ihre Zuneigung, geschweige denn echte Herzlichkeit gewährt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten – abgesehen natürlich von Carlo, der immer schon eine besondere Rolle in ihrem Leben gespielt hatte.
»Lass uns nach nebenan gehen, da können wir besser reden. Hier ist es viel zu laut.« Sie zog ihn hinüber zu ihrem Schlafgemach, wo es weitere Sitzgelegenheiten gab und wo, wie es in Gemächern dieser Art üblich war, auch größere Tafelrunden abgehalten wurden. Im Augenblick wurde der ausladende Speisetisch jedoch zweckentfremdet. Eines von Valerias Mädchen lag mit hochgeschlagenen Röcken und gespreizten Beinen rücklings darauf, das Hinterteil bis zur Tischkante vorgeschoben, und zwischen ihren Schenkeln stand einer der Besucher, der sich mit pumpenden Bewegungen seiner Hüften einem nicht mehr allzu weit entfernten Höhepunkt entgegenkämpfte.
Das Mädchen sah sie in der Tür stehen und grinste ihnen zu, während sie gleichzeitig spitze Schreie ausstieß und so tat, als empfinde sie höchstes Vergnügen an den Bemühungen ihres Freiers.
Gleich darauf kam der Mann zum Ende und trat ermattet zurück. Als er bemerkte, dass er beobachtet worden war, verzog er in einer seltsamen Mischung aus Ärger und Befriedigung das Gesicht. Antonio sah zu seiner Überraschung, dass es sich um Bartolomeo handelte, Marcello Querinis Adjutanten. Er trug trotz der Wärme seine Handschuhe, und zum ersten Mal fiel es Antonio auf, dass er den Mann bisher noch nie ohne diese fein gewalkten Saffianhandschuhe gesehen hatte.
Valeria scheuchte das Mädchen aus dem Zimmer, ebenso wie ein weiteres Paar, das sich auf dem Bett miteinander vergnügt hatte. Bartolomeo folgte den anderen hinaus in den Portego, wobei er Antonio über die Schulter hinweg einen abwägenden Blick zuwarf. Antonio meinte, in den Augen des Mannes leisen Hohn zu erkennen, doch das mochte auch eine Täuschung sein, bedingt durch das unzulängliche Licht der Kerzen.
»Wer war der Mann?«, fragte er, sich unwissend gebend.
»Querinis Kämmerer«, sagte Valeria. »Du musst ihn schon gesehen haben, denn meist weicht er seinem Herrn kaum von der Seite.«
»Mag sein. Ich wusste allerdings nicht, dass auch er zu dir kommt.«
Sie zuckte die Achseln. »Manchmal kommen sie zu zweit, manchmal einzeln. Welche Rolle spielt es schon. Sie holen sich, was sie wollen, und meist brauchen sie nicht lange dazu. Du hast es ja eben gesehen.«
»Er hatte seine Handschuhe nicht abgelegt.«
Abermals hob sie die Schultern, es schien sie nicht zu interessieren. »Vielleicht hat er einen üblen Ausschlag. Oder einen Sauberkeitswahn. Du ahnst nicht, wie verdreht manche Männer sind, mein Lieber.«
»Ich vergaß. Du musst dank Cattaneo auf diesem Gebiet mehr Erfahrung haben als alle Kurtisanen der Stadt zusammen.«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Bist du gekommen, um mir meine Zeit mit ihm vorzuhalten? Ich dachte, es wäre klar, wie ich jetzt zu ihm stehe.«
»Ist es das wirklich?«
»Was willst du damit sagen?« Mit angriffslustig vorgeschobenem Kinn starrte sie ihn an.
Antonio dachte an das zerschlagene Wappen draußen an der Fassade, aber gleichzeitig erkannte er die Furcht in ihren Augen. Sie hatte immer noch Angst vor Cattaneo, vielleicht aber auch vor sich selbst, weil sie nicht wusste, was sie tun würde, wenn er wieder auftauchte.
Antonio hatte ihr all die Geschichten erzählt, die er gehört hatte. Sie hatte ihm geglaubt. Wie auch anders, nach allem, was sie vorher schon über Cattaneo gewusst hatte? Ihr Abscheu und ihr Wille, ihn
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