Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

und die Böen warfen sich gegen ihn mit Eiskristallen, die leise auf dem Helm knisterten. Der Schweiß schien ihm schlagartig am Leib zu gefrieren.
    Er sah zu Sinthoras, der mit einem Zeichen andeutete, dass ihm bitterkalt war.
    Sie kämpften sich den Berg hinauf bis zum gezackten Gipfel. Dort wandten sie sich ein letztes Mal zum Tal um, das nun ausschließlich aus dichtem Rauch und hell züngelnden Flammen samt Funkenwolken bestand.
    Weder sah man das Grün noch die Bauten oder den Wasserfall, während der Schnee an den Hängen oberhalb bereits durch die Hitze taute.
    Eine Lawine ging ab und warf sich brüllend in den Einschnitt; der Qualm wandelte sich zu hellem, aufbegehrendem Weiß – doch die Brände am Boden erloschen nicht.
    Ausgezeichnet . Caphalor gab das Signal zum Weitergehen und übernahm dieses Mal die Führung. Er hatte sich an die Höhe gewöhnt und schien vom Marsch nicht mehr ganz so mitgenommen zu werden. Ich habe keine Zeit zu verlieren.

    Tark Draan (Geborgenes Land), Graues Gebirge, Steinerner Torweg, 4372. Teil der Unendlichkeit (5202. Sonnenzyklus), Winter
    Sinthoras starrte Caphalor an. »Du willst mir sagen, dass wir uns verliefen?« Dann sah er aus der engen Höhle hinaus, vor der der Sturm die Schneewehen vor sich her trieb. Ich fasse es nicht. Das kleine Feuer vor ihnen hatten sie mit alten, ausgetrockneten Gebeinen eines Scheusals entfacht. Es spendete ihnen die notwendige Wärme, sodass sie nicht erfroren. » Du wolltest die Karte«, sagte er und zwang sich zur Ruhe.
    »Ich bin sehr wohl in der Lage, Karten zu lesen. Wie sonst hätte ich als Nostàroi den Feldzug führen können?«, erwiderte Caphalor kalt. »Aber als ich diese Scheibe in der Siedlung abmalte, müssen die Linien auf der anderen Seite verwischt sein.«
    »Sicherlich.« Du willst nicht zugeben, dass du einen Fehler begingst. Sinthoras stieß die Luft aus. »Wir wissen demnach nicht, wo wir uns befinden?«
    Caphalor schüttelte den Kopf. »Nein. Wir wanderten durch den anhaltenden Sturm, sodass ich den Stand der Sonne und der Nachtgestirne nicht sehen konnte.« Er blickte auf die Karte. »Dabei war ich so sicher.«
    »Oh, das hörte man in der Vergangenheit öfter, dass sich Albae sicher mit ihren Annahmen seien. Und dennoch ging Dsôn Faïmon unter«, hielt Sinthoras ätzend dagegen. Mit einem knappen Blick entschuldigte er sich bei seinem Freund, der wiederum knapp nickte und ihm den Hohn verzieh. »Wie lange liefen wir falsch?«
    »Ich fürchte, seit wir den Gipfel hinter uns ließen.« Caphalor sah ebenfalls ins Gestöber. »Allerdings können wir nicht warten, bis sich das Unwetter legt. Unsere Rationen werden bald zur Neige gehen.«
    Innerlich pflichtete ihm Sinthoras bei. »Aber marschieren, bis wir durch eine Fügung auf Barbaren oder einen Weg stoßen, erscheint mir in Anbetracht der Umstände nicht sonderlich ratsam.«
    »Das ist Verhungern auch nicht.« Caphalor seufzte. »Vielleicht finden wir Wild, das wir erlegen können. Irgendwelche Steinböcke oder … einen Eingang ins Reich der Unterirdischen. Das wäre eine große Verbesserung.«
    Sinthoras nahm den Blick nicht von den fliehenden Flocken, die durch Menge und Geschwindigkeit zu einer weißen Wand wurden.
    Vor seinem inneren Auge sah er brüchige Eisflächen, über die sie wanderten, einstürzende Felswände, unter denen sie begraben wurden, Lawinen, unter denen sie erstickten …
    Die Endlichkeit schien ihm plötzlich zum Greifen nah, und sie sah in keiner Spielart schön aus.
    Da war die Siedlung der Elben das reinste Vergnügen, ganz gleich, was diesem See entstiegen wäre. Sinthoras stemmte sich in die Höhe und fühlte jeden Knochen im Leib. Aber das wird sicherlich nicht mein Ende sein, dachte er entschlossen. Ich will Tark Draan unterwerfen und nicht zu einer Eisstatue werden.
    Caphalor reckte noch einmal die Hände gegen die wärmenden Flämmchen, bevor er aufstand und seinem Freund folgte. Der Tausch der Führerschaft war wortlos vonstatten gegangen.
    Die Böen bliesen so stark, dass das Atmen schwerfiel und Sinthoras gelegentlich auf die Zehenspitzen angehoben wurde. Wir schaffen höchstens zwei bis drei Meilen in einem Moment der Unendlichkeit, dachte er und suchte nach einer Lösung, wie sie trotz des grausamen Sturms schneller vorwärtskämen.
    Der blonde Alb orientierte sich an den schwarzen Schatten, die nichts anderes als Berghänge waren, und erkor den am besten sichtbaren als nächstes Ziel der Wanderung. Sobald er nahe genug heran