Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Zimmer geschleppt.
Eine Axtschneide brach durch die Tür und wurde zurückgezogen. Ein rot glühendes Auge stierte mordlüstern durch den Spalt. »Albar!«, grölte eine gutturale Stimme bei seinem Anblick erregt. »Var Albar!«
Sisaroth wandte sich um und rannte die Stufen hinauf.
Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Dsôn Sòmran, Dsôn, im nördlichen Ausläufer des Grauen Gebirges, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
Die geschlossene Plattform drang in die Nebelschwaden ein, welche die Umgebung verschlangen. Es schien, als gäbe es nur das kapselartige Innere mit seinen drei Passagieren und dem Alb am Steuerelement.
Feuchtigkeitskügelchen schlugen sich an den Scheiben nieder, dann setzte heftiger Regen ein und schuf ein dumpfes, anhaltendes Trommeln auf dem Kabinendach.
Ranôria drückte sich in die Ecke nahe des Ausgangs. Sie hatte den Alb, der sich gegen sie gedrängt hatte und nun mit dem Rücken zu ihr stand, genau im Blick.
Er ist mir gefolgt. Sandte Acòrhia ihn mir nach? Sie will wissen, was ich tue. Ein Teil ihres Verstandes sah sich in ihrer Übervorsichtigkeit bestätigt. Sie war einer Verschwörung auf der Spur, in deren Mittelpunkt sich die Geschichtenweberin befand. Doch in wessen Auftrag?
Der andere Teil ihres Verstandes lachte sie wegen ihres Verfolgungswahns aus.
Was soll schon geschehen?, sagte sie zu sich und versuchte, ihre Anspannung zu lösen. Er trägt einen Umhang wie ich gegen das schlechte Wetter. Wie oft gehe ich an Leuten vorbei, die mein Antlitz nicht zu sehen bekommen?
»Hey!« Ein lauter Ruf erschallte aus dem Grau neben der Plattform. Jemand aus dem vierten Ring hatte sie knapp verpasst. »Anhalten! Ich will mit!«
»Wir fahren weiter«, befahl der Soldat unfreundlich, als er sah, dass der Bediener nach den Hebeln langte.
»Aber ich kann noch …«
Ranôria horchte auf. Das ist die Gelegenheit. Sobald wir stehen, springe ich raus und suche mir einen anderen Weg nach oben.
Der Krieger hob die Hand und fuhr mit dem aufgereckten Zeigefinger hin und her. »Nichts da. Ich muss auf den Wall. Wie erkläre ich meinem Sytràp, dass ich zu spät antrete? Soll ich ihm deinen Namen nennen, damit du meine Strafe erhältst?«
Ranôria erkannte einen auffälligen Ring am Finger des Soldaten. Er war aus Tionium und Silber, zeigte Intarsien aus Bein und einen dunkelviolett schimmernden Stein auf der Wappenplatte. Das Symbol kannte sie nicht. Weder war der ungewöhnliche Ring eine militärische Auszeichnung, noch sagte er etwas über die Familienzugehörigkeit seines Trägers.
»Hey! Anhalten, bitte!«, drang es von draußen. »Es regnet, und ich kann nicht gut laufen!«
Der Soldat starrte hinter seinem Visier hervor und senkte den Arm.
»Nein, tut mir leid«, erwiderte der Bediener eingeschüchtert und ließ die Plattform weiter den Berg hinauffahren. »Du musst warten.«
Es wäre zu schön gewesen. Ranôria ärgerte sich, dass sie doch nicht aussteigen konnte. Sie bezwang das flaue Gefühl im Magen, betrachtete abwechselnd die Albae, die sich um sie herum befanden. Aber ich werde auch nicht nass.
Niemand sprach.
Der Nebel drückte sich von allen Seiten gegen die Scheiben, wurde heller und dunkler, lichtete sich für einen kurzen Moment, ehe er sich erneut undurchdringlich grau vor die Hausdächer schob, die an ihnen vorbeizogen.
Bald habe ich es geschafft und kann aussteigen. Ranôria überlegte, um sich abzulenken, was sie Nomirôs fragen wollte. Meine Drohungen werden ihn zum Sprechen bringen. Ich kann ihm versichern, dass Aïsolon sich um seine Sicherheit kümmert. In der Geschichtenweberin sah sie den Schlüssel der Verschwörung. Ich muss Nomirôs dazu bringen, gegen sie auszusagen. Von mir aus kann er auch lügen, aber ich muss an sie herankommen.
Da wandte sich der Alb am Fenster unvermittelt um. Er verschränkte die Arme und richtete die Augen auf seine Stiefelspitzen. Sie waren verdreckt. »Sieh sich einer das an«, sprach er halblaut. »Kaum sind sie geputzt, gehe ich eine schmutzige Straße entlang.« Er lachte Ranôria zu. »Man sollte die Sklaven öfter kehren lassen.« Er beugte sich nach unten und wischte mit dem Mantelsaum daran herum. »Ausgerechnet jetzt! Dabei wollte ich einen guten Eindruck bei ihr machen.«
Er ist harmlos. Sie lächelte. »Bei deiner Gefährtin?«
»Noch ist sie es nicht«, antwortete er ihr von unten. »Solange meine Stiefel so aussehen, wird sie es auch nicht.«
Der Alb an der Aufzugsteuerung lachte
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