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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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darunterliegende Dachkammer.
    Noch hast du mich nicht. Ranôria landete nach einem kurzen Sturz auf dem Gegner. Eine zweite Lampe, die an einem Balken neben dem Ausstieg hing, sorgte für Licht.
    Ich muss ihn töten, sonst … Sie tastete an dem Benommenen herab und bekam seinen Dolch zu fassen, den sie mit dem unverletzten Arm herauszog. Ranôria wollte ihm die Spitze in die Kehle stechen.
    Da kam der Alb zu sich und hielt ihre Hand fest. Die Klinge ritzte lediglich seine Haut. »Nicht schlecht.« Er versetzte ihr einen Schlag ins Antlitz und fegte sie von sich herab.
    Sie landete auf den Leichen der Hausbewohner, denen der Mörder die Hälse aufgeschlitzt hatte. Schwindel lähmte ihre Gedanken, ihre Bewegungsfertigkeit. Der Blutverlust verlangte seinen Tribut.
    Ich muss meine Kinder retten. Ranôria versuchte schwach, sich zur Treppe zu robben, da traf sie ein Tritt gegen den Kopf, der ihr beinahe die Sinne raubte. Sie sah durch einen roten Schleier, bis sie begriff, dass ihr Blut in die Augen lief.
    »Dafür, dass du mir um ein Haar entkommen bist, würde ich dir zu gerne das Leben schenken«, vernahm sie die Stimme des Angreifers. »Aber jemand würde Missfallen daran finden, und so bin ich leider gezwungen, meiner zweiten Verpflichtung nachzukommen.«
    Ranôria wurde auf den Rücken gerollt und sah den Mörder undeutlich vor sich. »Bitte«, flüsterte sie. »Lass mir mein Leben, damit ich das meiner unschuldigen Kinder retten kann.«
    »Du bist eine gute Mutter. Es ist schade um dich.«
    »Dann lass mich wenigstens zusammen mit der Wahrheit sterben: Du hast den Mord an Sémainas Familie begangen?«
    »Nein«, erwiderte er nach kurzem Zögern. »Ich habe damit nichts zu schaffen.«
    »Wer beauftragte dich, meinen Tod herbeizuführen?« Ranôria wurde kalt, sie spürte ihren Rücken nicht mehr. Müdigkeit vertrieb die Schmerzen, die sie eben noch im Knöchel und im Arm gefühlt hatte. Der Tod kommt und führt mich in die Endlichkeit.
    »Kannst du es dir nicht denken?«
    »Es war Acòrhia?«
    Als Antwort vollführte er eine Kopfbewegung, die sie aufgrund ihrer nachlassenden Sehkraft nicht richtig zu deuten vermochte. Bedeutet es ein Ja oder ein Nein? »Sprich den Namen …«
    Bevor sie nachfragen konnte, trieb er ihr sein Schwert durch das schwer arbeitende Herz. Mit der Drehung der Klinge zerstörte er es. Der Lebensmuskel schlug nicht länger.
    Regen fiel durch die offene Luke und benetzte ihr Antlitz, während der Mörder die Lampe auf dem Boden zerbrach und die Dachkammer in Brand steckte. Das Feuer sollte seine Spuren und die Leichen vernichten.
    Ranôrias Körper entspannte sich.
    Ihre Augen verloren das Feuer und die Wärme.
    Und ihre einmalige Stimme, die Tausende Albae von Dsôn Sòmran mit ihrer Kunst zum Träumen, zum Lachen und zum Weinen gebracht hatte, war versiegt.

 

    Besond’rer Ort – weit, weit fort,
    wunderlich und unheimlich.
    Untrennbares wird geteilt,
    was an diesem Platz verweilt.
    Schattental
    … komm, meine finstere Schwester
    Schattental
    … komm, mein finst’rer Bruder
    Schattental
    … reicht mir die Hände zum Reigen
    im Schattental
    Losgetrennt, entfesselt, freigelassen,
    Schatten sind nimmermehr zu fassen.
    Tanzen mit jedem, den sie finden,
    versuchen gar, sich neu zu binden.
    Schattental
    … komm, meine finstere Schwester
    Schattental
    … komm, mein finst’rer Bruder
    Schattental
    … reicht mir die Hände zum Reigen
    im Schattental
    Gib gut acht, halte ihn fest!
    Wenn er sich nicht mehr fangen lässt,
    kommt er frei und flüchtet dir zur Qual,
    musst bleiben du im Schattental …
    Schattental, aus dem Epos »Junge Götter«,
aufgezeichnet von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort

 
    Phondrasôn, nach dem 5427. Teil der Unendlichkeit
    Ich hoffe, er schmeckt nicht wieder modrig und alt. Tirîgon schlitzte dem entschuppten Fisch den Bauch auf, schob die Innereien mit dem Finger heraus. Um seinen Fang über dem entzündeten Feuer zu rösten, steckte er ihn auf einen zurechtgeschnitzten Knochen. Das karge, grätenreiche Essen war besser als nichts. Denn ebensolches Nichts hatte er zu lange gehabt.
    Während er geduldig das ausgenommene Tier am Spieß drehte, studierte er die Karte, die ihm bislang gute Dienste erwies. Ohne sie hätte er sich verloren gefühlt.
    Die Elben der schwebenden Insel hatten sich Mühe gegeben, ihre unmittelbare Umgebung genau zu erfassen, und doch beschlich Tirîgon der Verdacht, dass es sich bei Phondrasôn nicht um einen einzigen Ort

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