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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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der ihnen nur bis an die Knie reichte. Ich fragte den Magus, welchen Zweck die Geheimniskrämerei am Morgen gehabt hätte, wenn uns doch jetzt jeder hier draußen sehen konnte.
    »Nur jemand, der sich auch auf diesem Pfad befindet«, sagte er, »und der ist wenig begangen. Solange wir keine bleibenden Spuren zurücklassen, wird niemand erfahren, dass wir hier vorbeigekommen sind. Es gibt bessere Wege, um nach Attolia hinunterzugelangen.«
    Ich blickte zu dem Geröll über uns empor und sagte: »Darauf möchte ich wetten. Kann man uns denn vom Wald aus nicht sehen?«
    »Nein, es ist unwahrscheinlich, dass sich dort irgendjemand aufhält.«
    Ich schnaubte. »Ein erfolgreicher Dieb verlässt sich nicht darauf, dass etwas unwahrscheinlich ist.«
    »Ein erfolgreicher Dieb?«, sagte der Magus. »Woher weißt du das dann?«
    Ich zog mich bekümmert vom Kampfplatz zurück.
     
    Nach einer Viertelmeile suchten wir uns einen Weg einen besonders steilen Hang hinab und gelangten auf ein winziges Plateau, das mit Steinplatten gepflastert und von uralten Olivenbäumen gesäumt war. An der Rückseite des Plateaus, das wirklich kaum mehr als ein großer Felsvorsprung war, lag eine Höhle in der Bergflanke. Aus einer Felsspalte darüber wuchs ein Feigenbaum hervor und spendete dem Eingang Schatten. Eine Quelle entsprang irgendwo in der Dunkelheit und strömte durch einen gefliesten Kanal im Pflaster. Neben dem Kanal stand ein winziger Tempel, nicht mehr als zehn Fuß hoch, der aus Marmorblöcken errichtet war und dessen Fassade marmorne Miniatursäulen zierten.
    »Seht«, sagte der Magus mit einer ausladenden Handbewegung, »dies ist der Platz, an dem wir eigentlich hätten zu Mittag essen sollen. Sieh dich kurz um, Sophos. Das hier ist dein erster heidnischer Tempel.« Er erläuterte, dass es sich um einen Schrein handelte, der der Göttin der in der Höhle entspringenden Quelle geweiht war. Er war wahrscheinlich vor etwa tausend Jahren errichtet worden. Der Magus wies Sophos auf die Kunstfertigkeit hin, mit der der Marmor behauen worden war, so dass jeder Stein perfekt mit den anderen abschloss. »Wenn man sich einen kleinen Tempel wie diesen hier ansieht, kann man erkennen, wie die größeren Tempel zusammengesetzt sind. Alles ist maßstabgetreu. Wenn jede Säule im Haupttempel der Flussgötter aus vier Teilen besteht, dann hat auch jede Säule hier vier Teile, und die Verbindungen sind auf die gleiche Art hergestellt.«
    Sophos war genauso fasziniert wie der Magus. Die beiden gingen in den Tempel, um sich die Statue der Göttin anzusehen, und kehrten mit beeindruckter Miene zurück. Ambiades langweilte sich.
    Der Magus bemerkte seinen Gesichtsausdruck und sagte: »Nun, Ambiades, wenn man die Religion eines Menschen kennt, kann das hilfreich sein, um ihn zu beeinflussen – darum ist Sophos’ Vater der Ansicht, dass kein Land mehr als einen Götterhimmel haben sollte. Lass mich dir ein paar Beispiele geben.«
    Wir brachen den Pfad hinunter auf, den das Wasser aus der Quelle im Laufe des letzten Jahrtausends ausgewaschen hatte. Hier wanderte es sich leicht. An den steilen Stellen waren sogar Stufen in den Stein getreten, gewiss von den Gläubigen, die im Laufe der tausend Jahre den Schrein über uns aufgesucht hatten. Während wir gingen, lauschte Ambiades dem Magus interessiert. Ganz offensichtlich schenkte er allen Dingen, von denen er annahm, dass sie ihm nützlich sein könnten, viel Aufmerksamkeit. Er verstand nur nicht, welchen Sinn Naturgeschichte hatte.
    Der Magus fing an, Fragen zu stellen. Lange Zeit beantwortete Ambiades alle allein; dann begann Sophos zu antworten, und Ambiades’ Äußerungen wurden immer mürrischer. Ich versuchte zuzuhören, aber nur Versatzstücke klangen den Pfad herauf. Nachdem Ambiades Sophos einige Male angeblafft hatte, schickte der Magus Sophos nach hinten und unterrichtete Ambiades allein. Ich war überrascht, Sophos und Pol hinter mir wie alte Freunde plaudern zu hören. Pol wollte wissen, was Ambiades so die Laune verdorben hatte.
    »Bergketten zu bestimmen. So etwas mag er nicht, deshalb passt er dabei nicht auf. Aber trotzdem weiß er mehr als ich.«
    »Du wirst schon noch aufholen.«
    »Ja, wenn mein Vater mich bleiben lässt.«
    »Wie…?«
    »Du weißt, was ich meine, Pol. Wenn er herausfindet, dass ich bleiben will, wird er mich wegholen.«
    »Und du willst bleiben?«
    »Ja«, sagte Sophos durchaus mit Nachdruck. »Ich lerne gern, und der Magus ist nicht so furchterregend, wie ich

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