Die Leibwächterin (German Edition)
dich, mit der Polizei zusammenzuarbeiten?»
«Was in meiner Kindheit passiert ist, spielt hier keine Rolle», sagte ich; um ihn loszuwerden, gab ich Laito noch eine Information, so wie man einem Luchs im Zoo einen Fleischbrocken hinwirft: «Paskewitsch ist nicht nur ehemaliger KGB-Offizier, sondern auch ein Silowik. Sie wissen hoffentlich, was das bedeutet?»
«Und das konntest du mir beim letzten Mal nicht erzählen? Wo wohnt deine Freundin? Was liegt näher, das Kripohauptquartier oder meine Wohnung?»
Wortlos unterbrach ich die Verbindung, entfernte den Prepaid-Chip und legte einen neuen, noch unbenutzten ein. Warum ermittelte Laitio weiter? Hatte das Innenministerium ihn dazu ermächtigt?
Vor einigen Wochen war ich mit Anita in Kotka gewesen. Eine gewisse Frau Julin war im stolzen Alter von einhundertdrei Jahren und offenbar im Vollbesitz ihrer Geisteskräfte gestorben, und die Erbengemeinschaft, zu der bereits Ururenkel gehörten, wollte ihr dreißig Hektar großes Grundstück, das direkt am Meer lag und einen Kilometer Uferlinie hatte, verkaufen. Anita wusste, dass sie jederzeit einen Abnehmer dafür finden würde, und hatte ein Angebot gemacht. Vor ihrer letzten Moskau-Reise hatte sie bereits von einem Vorvertrag gesprochen.
Paskewitsch hatte also zwei Fliegen auf einen Streich erledigt: Er hatte sich an Anita gerächt und sie gleichzeitig als Konkurrentin um das Grundstück in Kotka ausgeschaltet. Ich empfand fast ein bisschen Zuneigung für Laitio, weil er mich über Paskewitschs Verwicklung in dieses Geschäft informiert hatte. Allerdings war das sicher nicht ohne Hintergedanken geschehen. Die Moskauer Miliz hatte den Fall zu den Akten gelegt, doch Laitio wollte nicht aufgeben. Offenbar suchte er jetzt nach Beweisen, die zur Wiederaufnahme der Ermittlungen führten. Wie würde es mir dann ergehen? Wenn Laitio ausreichende Gründe für eine Hausdurchsuchung vorlegen konnte, würde ich meinen Waffenschrank vorzeigen müssen, in dem immer noch Anitas Tuch lag. Warum hatte ich es nicht verbrannt, wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte?
Ich verbrachte den Abend mit Anitas Tresorkasten, doch alle Versuche, den Code zu knacken, verliefen im Sand. Gegen zehn Uhr trug ich das Ding nach draußen und traktierte es wieder mit dem Brecheisen, doch das brachte natürlich auch nichts. Wenn ich Pech hatte, führte die Brachialmethode dazu, dass sich das Nummernschloss verhakte. Ich warf den Kasten probeweise in den Kamin, zog ihn aber schnellstens wieder heraus, weil die Plastikteile des Schlosses zu schmelzen drohten.
Nachdem ich einige Stunden unruhig geschlafen hatte, schrak ich gegen fünf Uhr auf. Draußen bewegte sich etwas. Ich versuchte, die funkelnden Augen eines Luchses zu entdecken, sah aber nur gestaltlose Finsternis. Als ich auf die Veranda trat, hörte ich nichts weiter als das Rauschen des einige hundert Meter entfernten Meers.
Ich kochte Kaffee und zog den Gore-Tex-Anzug an. In aller Eile trank ich eine Tasse und putzte mir anschließend die Zähne, um den Kaffeegeschmack zu vertreiben. Ich nahm die Stirnlampe mit, schaltete sie aber vorläufig nicht ein. Zum Glück blies Südostwind, sodass ich mich dem Kadaver unter dem Wind nähern konnte.
Irgendetwas bewegte sich im Wald, in der Nähe des toten Rehs. Ich ging hinter einem Felsen in Deckung und legte mich flach und reglos auf den Boden. Es dämmerte bereits, womöglich würde sich heute endlich wieder die Sonne blicken lassen.
Ein Elch war der Waldgänger nicht, dafür bewegte er sich zu vorsichtig, setzte seine Schritte auf die Mooshöcker, bemühte sich, keine Zweige knacken zu lassen. Für einen Luchs war er zu groß, denn er stieß in fast zwei Metern Höhe an die Zweige. Ein Luchs konnte zwar auf Bäume klettern, würde aber nie von Baum zu Baum springen. Ich hielt den Atem an, als die Gestalt auf den Weg trat.
Es war ein Mann, etwa zwei Meter groß und glatzköpfig. Der Tarnanzug und die Stiefel gaben ihm ein soldatisches Aussehen. Die Sonne stieg gerade über den Horizont, als der Mann aus der Senke auf den Weg sprang, und als ich mich vorsichtig etwas aufrichtete, sah ich sein Gesicht.
Ich erkannte es sofort und wusste auch, wessen Privatarmee der Mann angehörte. Als Anita noch Paskewitschs Geliebte war und keinen Schutz brauchte, hatte ich ihn zweimal im Chez Monique gesehen. Er hatte nicht an Paskewitschs Tisch gesessen, denn der war für seine Leibwächter immer tabu gewesen, sondern ein paar Tische weiter, ständig wachsam und
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