Die Leiche im rosa Nachthemd
wir
müssen verhindern, daß Marian Dunton je Dr. Alfmont zu Gesicht bekommt.«
»Das dürfte nicht so schwer
sein«, sagte sie.
Ich lachte. »Du erinnerst dich
an den Mann, der mich zusammengeschlagen und aus Oakview hinauskomplimentiert
hat?«
»Ja...«
»Er heißt John Harbet und war
ein Gönner von Evaline Harris. Er ist mit dem Geschäftsführer der Blauen
Grotte bekannt. Außerdem ist er Leiter der Sittenpolizei in Santa
Carlotta... Genügt das?«
Während sie diese Neuigkeit verdaute,
öffnete ich die Tür der Firmenkutsche. »Da drüben steht dein Wagen. Gute Fahrt,
und vergiß nicht, Marian zum Frühstück abzuholen. Und noch eins: Ich hab’ ihr
eingeschärft, sie sollte die Unschuld vom Lande spielen. Das tut sie auch, weil
sie einsieht, daß es sein muß. Aber sie tut nur so. Sie ist ein intelligentes
Mädchen. Und nett.«
Bertha Cool griff nach meinem
Arm. »Bitte, Kleiner, komm mit zurück! Ich brauche dich.«
»Jeden Augenblick kann eine
Polizeistreife hier aufkreuzen und uns mit Taschenlampen ins Gesicht leuchten,
um zu sehen, was für Unfug wir treiben. Möchtest du das?«
»Um Himmels willen«, wehrte
Bertha entsetzt ab.
Sie kletterte aus dem Wagen wie
von tausend Wilden gescheucht. Der Fahrer ihres Autos rutschte hinter dem
Steuer hervor und hielt ihr den Schlag auf. Sie sah mich noch einmal bittend
an, dann sank sie in die Polster. Ausnahmsweise wirkte sie nicht selbstsicher
und rücksichtslos, sondern wie eine ganz normale, etwas zu füllige Frau in den
Fünfzigern, die völlig erledigt ist.
Ich fuhr einmal tun den Block,
stellte den Wagen vor Dr. Alfmonts Praxis ab und ging hinauf. Er wartete.
»Sie wissen zu viel, und wir
wissen zu viel«, begann ich. »Bertha war zu gesprächig. Jetzt rede ich — aber
nicht hier. Fahren Sie mich ein bißchen spazieren.«
Wortlos knipste er das Licht
aus, schloß ab und fuhr mit mir nach unten. Sein Wagen stand vor dem
Haupteingang. »Wohin?« fragte er mit seiner farblosen Stimme.
»Irgendwohin, wo man in Ruhe
reden kann und wo man uns nicht sieht.«
Er war nervös. »Die
Polizeistreifen interessieren sich besonders für geparkte Autos.«
»Dann parken Sie eben nicht.«
»Beim Fahren kann ich nicht
reden.«
»Und bei Ihnen zu Hause?«
»Ja, reden kann man dort
schon...«
»Na also! Nichts wie hin — das
heißt, wenn es Ihre Frau nicht stört.«
»Nein, nein. Durchaus nicht.«
Er war hörbar erleichtert.
»Weiß Ihre Frau, in was für
einer scheußlichen Situation Sie stecken?« fragte ich.
»Sie weiß alles.«
»Ich will ja nicht indiskret
sein — aber heißt Ihre Frau mit Vornamen Vivian?«
»Ja.«
Danach schwiegen wir beide. Er
fuhr über die Hauptstraße und bog nach links ab. Wir kamen zu einem eleganten
Villenviertel mit modernen Häusern im maurischen Stil: weiße Stuckwände,
malerisch rote Ziegeldächer, viele Hecken und Bäume, die fast schwarz wirkten, soweit
das Licht der Straßenlampen sie nicht erreichte.
Wir bogen in die Einfahrt ein
und rollten vor einer Garage in aufwendigem Stuckstil aus. Dr. Alfmont
schaltete den Motor und die Scheinwerfer ab. »Da sind wir.«
Ich stieg aus. Alfmont ging mir
voran zum Haus. Wir betraten die Diele. Die mir schon bekannte Frauenstimme
fragte: »Charles?«
»Ja. Ich habe einen Besucher
mitgebracht.«
»Es hat jemand angerufen, ein
Mann, und...«
»Ich weiß. Das ist unser
Besucher«, sagte Dr. Alfmont. »Bitte hier herein, Mr. Lam.«
Er führte mich in ein
offensichtlich teuer, aber geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer mit farblich
harmonisch abgestimmten Vorhängen, Teppichen und Polstermöbeln.
»Charles, kann ich dich einen
Augenblick sprechen?« fragte die Frauenstimme.
Dr. Alfmont entschuldigte sich
und verließ das Zimmer. Ich hörte Sie etwa vier oder fünf Minuten miteinander
sprechen. Dann stellte sie eine Frage. Es war eine Bitte, auf die er ablehnend,
wenn auch freundlich antwortete.
Dann traten sie beide ein. Ich
stand auf. Dr. Alfmont sagte: »Darf ich dir Mr. Lam vorstellen, Liebling. Mr.
Lam, das ist Mrs. Alfmont.«
Die Betonung der letzten Worte
war unüberhörbar.
Sie hatte noch immer eine
fabelhafte Figur, mochte um die Vierzig sein, bewegte sich aber mit der Leichtigkeit
und Grazie eines jungen Mädchens. Die braunen Augen blickten ruhig und offen.
Ich verbeugte mich und murmelte ein paar passende Worte.
Sie gab mir die Hand. Sie trug
ein dunkelblaues Kleid, das gut zu ihrer Haarfarbe paßte und ihre Figur voll
zur Geltung brachte. Offensichtlich
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