Die Leichenuhr
tat dabei ungläubig. »Das… das würdest du wirklich tun?«
»Klar. Vorausgesetzt, du vertraust mir auch und erzählst mir, was der Bulle will.«
Ich setzte eine Verschwörermiene auf. »Aber es bleibt unter uns, das mußt du mir versprechen, Lizzy.«
»Hältst du mich für eine Quatschtante?«
»Nein, das nicht, aber…«
»Komm, John Sinclair. Stell dich nicht so an und rede drei bis vier Takte.«
»Ja«, murmelte ich. »Der… der Bulle sucht drei Personen, die verschwunden sind.«
Lizzy schrak zusammen und verlor zum erstenmal die Kontrolle über sich. Ihre Haltung veränderte sich, und ich hörte ihr leises Stöhnen. »Das darf doch nicht wahr sein«, hauchte sie.
»Was denn?«
»Drei Personen.«
Ich nickte ihr zu. »Hat er gesagt, das kannst du mir glauben.«
»Natürlich glaube ich dir.« Sie hob die Schultern. »Von zwei Vermißten weiß ich ja, aber der dritte…« Den Rest ließ sie unausgesprochen und wartete auf meine Reaktion, die auch nicht lange auf sich warten ließ.
»Viel weiß ich auch nicht, aber meine Nase hat so einen komischen Gestank registriert.«
Auf einmal lag Eis in ihren Augen.
»Einen komischen Geruch, sagst du?« Selbst ihre Stimme hatte sich verändert. Sie klang wesentlich lauernder und schärfer.
»Klar, und zwar hier.« Ich deutete auf den Wagen.
Sie schaute ebenfalls hin, dann lachte Lizzy auf. »Ach so, den meinst du. Wenn es nicht mehr ist…«
»Aber er stinkt.«
»Er riecht. Es ist übrigens mein Fahrzeug, und ich benutze es nicht nur zu irgendwelchen Vergnügungsfahrten. Ich transportiere hin und wieder etwas darin, was nicht so ganz astrein riecht. Deshalb auch dieser seltsame Geruch.«
»Was denn?«
»Ist doch egal.«
Ich spielte weiterhin den Naiven, setzte aber trotzdem noch einen drauf.
»Für mich roch es nach Leiche.« Dabei nickte ich bestätigend. »Ja, es roch nach einem Toten. Nach verwestem Fleisch.«
Die Frau schwieg. Nicht sehr lange, dann hatte sie sich wieder gefangen.
»Und das hast du genau herausgefunden, John? Darin bist du Spezialist, nehme ich mal an.«
»Stimmt.«
»Darf ich fragen, wie es kommt und wo du dir diese Fähigkeiten angeeignet hast?«
Ich hatte längst eine Antwort parat. »Auf dem Friedhof, Lizzy. Ich habe mal für eine Weile auf dem Friedhof gearbeitet. Ist zwar schon länger her, aber einen derartigen Geruch vergißt man nicht.« Ich schlug auf die Heckklappe. »Du kannst sagen, was du willst, Lizzy, hier riecht es irgendwie nach Leiche.«
Bei meinem Schlag war sie zusammengezuckt, hielt sich ansonsten aber ziemlich gut. Sie hatte auch schon einen Ausweg gefunden und wechselte das Thema. »Hier ist es mir zu kalt. In meinem Wagen steht der Kaffee. Er ist noch frisch.«
»Wie schön für dich«, sagte ich, »dann werde ich auch wieder an meine Arbeit zurückgehen, bevor es Ärger gibt.«
»Das glaube ich nicht. Solange sich der Bulle hier aufhält, ist der betriebliche Ablauf gestört.« Sie lächelte mich an. »Wie wäre es denn, wenn wir den Kaffee gemeinsam trinken, John?«
Ich holte scharf Luft. »Bei dir?«
»Wo sonst?«
Ich strich über das nasse Haar. »Ja, das wäre ein Ding«, murmelte ich.
»Trotzdem weiß ich nicht, ob…«
Sie kam auf mich zu, umfaßte meine Schulter und zog mich in ihre Richtung. »Alles andere laß mal meine Sorge sein. Ich habe dir doch gesagt, daß ich mich mit dem Direktor sehr gut verstehe. Er wird dir schon keine Steine in den Weg legen, John.«
Das glaubte ich auch. Nur dachte ich anders darüber. Die Einladung war nur insofern ehrlich gemeint, als daß ich sie als Falle für mich ansah.
Diese Person wollte mich unter Kontrolle haben, um dann so schnell wie möglich zuschlagen zu können. Ich hatte etwas entdeckt, was nicht entdeckt werden sollte, und deshalb sollte ich einfach aus dem Verkehr gezogen werden. Das war eine Logik, die ich gut nachvollziehen konnte.
Ich tat so, als wäre ich von dem Vorschlag begeistert, und so ließ ich mich willig wegführen.
Ihr Wagen stand zwar nicht einsam, aber doch räumlich relativ weit entfernt von den anderen Unterkünften. Dafür war er der einzige Wagen, der seinen Platz in unmittelbarer Nähe des Kuriositätenkabinetts gefunden hatte, was mir persönlich ein wenig zu denken gab. Dafür mußte es einen Grund geben.
Lizzy Lamotte merkte, daß ich mit den Blicken die große Bude abtastete.
Sie wollte wissen, was ich an diesem Kasten so interessant fand.
»Weiß nicht.«
»Das ist keine Antwort.«
»Ich würde ihn mir
Weitere Kostenlose Bücher