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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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das Zimmer.
    Flick drehte sich wieder um und blickte in den Garten hinaus. Am Himmel stand ein Dreiviertelmond. Wenn er sich in ein paar Tagen zur vollen Kugel rundete, begann die Invasion der Alliierten in Frankreich. Draußen fuhr der Wind durch das frische junge Laub im
    Wald: Das Wetter schlug um. Hoffentlich braut sich überm Ärmelkanal kein Sturm zusammen, dachte sie. Die Launen des britischen Klimas konnten die gesamte Invasionsplanung zunichtemachen. In diesen Nächten beteten sicherlich viele Menschen um gutes Wetter.
    Ich sollte auch sehen, dass ich zu meinem Schlaf komme, dachte Flick. Sie verließ das Wohnzimmer und stieg die Treppe hinauf. Plötzlich musste sie an die Empfehlung denken, die sie Diana gegeben hatte: Wenn ich du wäre, würde ich jetzt zu Maude ins Bett schlüpfen. Es könnte eure letzte Chance sein. Vor Pauls Tür blieb sie stehen. Dianas Situation ist eine ganz andere, dachte sie – schließlich ist sie Junggesellin.
    Und ich bin verheiratet.
    Aber es könnte meine letzte Chance sein.
    Sie klopfte an die Tür und trat ein.
    In düsterer Stimmung kehrte Major Dieter Franck im Citroen mit dem Funkpeiltrupp zum Chateau von Sainte-Cecile zurück und begab sich sogleich in das bunkerartig gegen Bombenangriffe gesicherte Kellergeschoss. Im Funkraum traf er auf einen Willi Weber, dem seine schlechte Laune anzusehen war. Der einzige tröstliche Gedanke war, dass auch Weber nach dem Fahndungsfiasko dieses Abends nicht den geringsten Anlass hatte, in Triumphgeheul auszubrechen. Franck gestand sich allerdings ein, dass er Webers Angeberei gern ertragen hätte – wenn Helicopter dafür jetzt in der Folterkammer säße.
    »Sie haben die Nachricht, die er gefunkt hat?«, fragte er Weber.
    Der händigte ihm einen Durchschlag der abgetippten Botschaft aus. »Sie ist bereits an die Dechiffrierungsstelle in Berlin unterwegs.«
    Franck betrachtete die scheinbar sinnlos aneinander gereihten Buchstaben. »Dort wird kein Mensch sie entziffern können. Der Mann benutzt Codeblöcke zur einmaligen Verwendung.« Er faltete das Papier zusammen und schob es in die Tasche.
    »Und was können Sie damit anfangen?«, fragte Weber.
    »Ich besitze eine Abschrift seines Codebuchs«, gab Franck zurück. Obwohl es nur ein kleiner Triumph über Weber war, fühlte er sich gleich besser.
    Weber schluckte. »Die Nachricht verrät uns vielleicht, wo er sich aufhält.«
    »Richtig. Und um 23 Uhr wird er auf Empfang gehen, da kommt die Antwort.« Franck warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war bereits kurz vor elf. »Zeichnen wir die auch noch auf. Ich entschlüssele dann beide zusammen.«
    Weber ging, und Franck wartete in dem fensterlosen Raum. Schlag elf Uhr verfiel ein Empfänger, der auf Helicopters Frequenz eingestellt war, in das Geschnatter der kurz-lang-kurzen Piepser des Morsealphabets. Ein Funker schrieb die Buchstaben mit, während gleichzeitig ein Aufnahmegerät lief. Als das Geschnatter aufhörte, zog sich der Funker eine Schreibmaschine heran, tippte seine Mitschrift ab und reichte Franck nachdem er fertig war, den Durchschlag. Beide Nachrichten können alles oder nichts bedeuten dachte der Major, als er sich hinter das Steuerrad seines Privatwagens setzte.
    Der Mond schien hell auf die kurvenreiche Landstraße, die durch die Weingärten nach Reims führte. Optimales Wetter für eine Invasion, dachte Franck, als er den Wagen in der Rue du Bois abstellte. Stephanie wartete in der Küche von Mademoiselle Lemas’ Haus auf ihn. Er legte die verschlüsselten Nachrichten auf den Tisch und zog die Abschriften heraus, die Stephanie von Helicopters Codeblock und dem Seidentaschentuch gemacht hatte. Dann rieb er sich die Augen und begann, Helicopters ersten Funkspruch zu dekodieren. Die entzifferten Wörter notierte er auf dem Schreibblock, den Mademoiselle Lemas für ihre Einkaufslisten benutzt hatte. Stephanie kochte Kaffee. Dann sah sie Franck eine Weile lang über die Schulter, stellte ein oder zwei Fragen, nahm sich schließlich die zweite Nachricht vor und begann selbst mit der Dechiffrierung.
    Die Botschaft entpuppte sich als ein präziser Bericht über den Zwischenfall in der Kathedrale. Er, Franck, figurierte darin als »Charenton«, ein Mann, den »Bourgeoise« (Mademoiselle Lemas) rekrutiert hatte, weil sie um ihre Sicherheit bei diesem Treffen besorgt gewesen sei. Außerdem hieß es darin, »Monet« (Michel Clairet) habe die ungewöhnliche Maßnahme ergriffen, Bourgeoise anzurufen, um sich die

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