Die letzte Rune 08 - Das Schwert von Malachor
hob ihren Pokal, um auf seine Gesundheit zu trinken.
Boreas schien ungewöhnlich still, und Aryn fragte sich, was Sir Tarus ihm gesagt hatte. Der rothaarige Ritter saß nicht am Tisch, obwohl für ihn am Ende der Tafel ein Platz reserviert war, direkt neben Melia, die auf elegante Weise gelangweilt aussah. Boreas lehnte sich oft zu Ivalaine herüber, um etwas so leise zu sagen, dass man es nicht mithören konnte. Aber Ivalaine ging auf die Worte des Königs niemals ein. Sie betrachtete bloß den Saal, und ihre Augen glitzerten wie die Opale, die in ihr flachsblondes Haar geflochten waren. Aryn riskierte nur einmal einen Blick auf Teravian, aber der Prinz erwiderte ihn nicht. Die Augenbrauen zu einer Linie zusammengezogen, schaute er finster drein, ohne jemand bestimmtes im Auge zu haben.
Bei der ersten möglichen Gelegenheit verabschiedete sich Aryn von der Tafel und hatte den Saal verlassen, bevor Lord Farvel von seinem Stuhl aufstehen konnte. Sie überlegte, sich auf die Suche nach dem Spinnenmann Aldeth zu machen. Aber sie wusste nicht genau, was sie dem Spion eigentlich sagen wollte. Und sie konnte nicht in ihr Gemach zurück; das war der erste Ort, an dem Farvel nach ihr suchen würde. Und so fand sie sich vor Melias Tür wieder, ohne richtig darüber nachgedacht zu haben.
»Kommt rein«, sagte eine helle Stimme jenseits der Tür, bevor Aryn überhaupt die Hand gehoben hatte, um zu klopfen.
Sie trat ein und fand Melia über ihre Stickereiarbeit gebeugt sitzen. Das schwarze Kätzchen spielte auf dem Teppich vor dem Feuer mit einem Knäuel Garn.
Aryn räusperte sich. »Ich habe mich gefragt …«
»Natürlich, meine Liebe«, sagte Melia. »Ich bin sicher, hier wird Euch niemand finden.«
Aryn war zu dankbar, um die Lady zu fragen, wieso sie sich da so sicher sein konnte. Sie setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe des Feuers und bereute es sofort, als sie zu schwitzen begann.
»Seid Ihr glücklich, meine Liebe?«, fragte Melia, den Blick auf die Stickerei gerichtet.
Aryn wäre beinahe vom Stuhl gesprungen. Was konnte Melia denn damit meinen? Natürlich – sie bezog sich auf die Neuigkeit, wer ihr Gemahl sein würde.
»Ich habe Glück, dass mich der König für wert befindet, seinen Sohn zu heiraten«, sagte Aryn.
Melia schaute von ihrer Arbeit auf. »Das habe ich nicht gefragt.«
Aryn stand auf und ging zum Fenster. »Habt Ihr etwas dagegen? Hier drin ist es etwas warm.«
»Aber natürlich, meine Liebe.«
Aryn zog den Vorhang zur Seite und öffnete das Fenster einen Spaltbreit. Die kühle Herbstluft fühlte sich gut auf ihrem Gesicht an, aber sie war mehr daran interessiert, am Vorhang vorbeisehen zu können.
Sie verbrachten die Zeit schweigend. Melia arbeitete weiter an ihrer Stickerei, und Aryn wickelte in dem Versuch, sich nützlich zu machen, Garn auf Spulen, auch wenn das Kätzchen den größten Teil ihrer Arbeit wieder zunichte machte. Schließlich brannte das Feuer nieder, und das Kätzchen sackte zu einem Häufchen Fell und Garn zusammen und schlief, den Schwanz an der Nase.
»Ist es nicht Zeit, dass Ihr geht, meine Liebe?«, sagte Melia. »Ihr wollt doch nicht zu spät kommen.«
Aryn zuckte beim Klang ihrer Stimme zusammen. Sie musste gedöst haben. Sie warf einen schnellen Blick aus dem Fenster. Ein Splitter hellen Silbers schob sich gerade über die östliche Schlossmauer.
Aryn drehte sich um und sah den bernsteinfarbenen Blick der Lady auf sich ruhen. Also hatte Melia die ganze Zeit gewusst, warum Aryn das Fenster wirklich geöffnet hatte.
»Seid vorsichtig, meine Liebe«, sagte Melia. »Magie zu benutzen macht große Freude. Aber es liegen auch große Gefahren darin. Wie Königin Ivalaine meiner Überzeugung nach nur zu gut weiß.«
Was meinte sie denn damit? Aryn war zu überrascht um zu fragen, also verabschiedete sie sich murmelnd und eilte los. Sie lief leere Korridore entlang und kam zu Ivalaines Gemächern. Sie klopfte leise, und eine junge Dienerin im grünen Kleid, kaum älter als ein Mädchen, öffnete die Tür. Die Dienerin führte Aryn in einen gemütlichen Raum, dessen Wände mit Wandteppichen geschmückt waren.
»Du darfst jetzt gehen«, sagte Mirda zu der Dienerin. »Ich werde dich rufen, falls die Königin dich oder deine Schwestern heute Abend noch einmal brauchen sollte.«
Das Mädchen machte einen Hofknicks und verließ den Raum durch eine Seitentür. Einen Augenblick lang erhaschte Aryn durch die offene Tür einen Blick auf ein halbes Dutzend neugieriger
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