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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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für alle Betroffenen.«

    Das Schwarze begann sich zu rühren, zog neue Bahnen durch ihren Körper, drang in ihre Adern. Sie spürte die Kälte bis unter die Haut. Vorbei, dachte Sigita. Jetzt blieb ihr nur noch das Geld. Sie streckte die Hand aus.
    »Gib es mir.«
    »Aber Schatz …« Jolita sah sie verwirrt an. »Das klingt ja, als wollte ich dich bestehlen!«
    Sigita wartete schweigend. Schließlich gab Jolita ihr den Umschlag. Er war dick und schwer von dem Bündel Geldscheine. Sigita knüllte ihn mit der Hand zusammen und humpelte zur Tür. Bei jedem Schritt spürte sie die genähte Wunde.
    »Sigita, warte«, rief Jolita. »Die Quittung!«
    »Unterschreib du«, sagte sie über die Schulter. »Es war ohnehin deine Idee.«
    Jolita kritzelte eilig ihre Unterschrift aufs Papier und verabschiedete sich hastig von der blonden Frau.
    Sigita ging einfach weiter. Den Flur hinunter, durch das Wartezimmer, durch die Tür nach draußen.
    Auf dem regennassen Gehweg holte Jolita sie ein.
    »Lass uns ein Taxi nach Hause nehmen«, sagte sie.
    Sigita blieb stehen. Sie drehte sich um und sah Jolita mit all der Kälte an, die sie in sich trug. »Du kannst nach Hause fahren«, erwiderte sie. »Ich gehe in ein Hotel. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Nie wieder.«
     
    Es gab vier Baronienė im Telefonbuch von Vilnius und Umgebung. Sigita rief einen nach dem anderen an und fragte nach Julija. Ohne Erfolg. Dann probierte sie es mit Baronas, für den Fall, dass die Nummer unter dem Namen ihres Mannes registriert war. Davon gab es acht. Zwei antworteten nicht, einer hatte den Anrufbeantworter angeschaltet, der keine Julija in seiner frechen Ansage erwähnte, und zwei sagten kurz angebunden, dass sie niemand mit diesem Namen kannten.
Beim siebten Versuch antwortete eine Frau mit einem unsicheren »Ja?«.
    Sigita hörte genau hin, war sich aber nicht sicher, ob sie die Stimme wiedererkannte.
    »Spreche ich mit Julija?«, fragte sie.
    »Ja. Wer sind Sie?«
    »Sigita Ramoškienė. Ich würde gerne …«
    Weiter kam sie nicht. Der Hörer am anderen Ende war abrupt aufgelegt worden.

     
    Jučas fuhr mit dem Wagen bis auf den Strand. Es war dunkel, und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Hinter ihm erhob sich der Nadelwald wie eine schwarze Wand. Er zog sich bis auf die Unterhose aus. Der Sand fühlte sich warm unter seinen Fußsohlen an, und das Meer war lau und so seicht, dass er mehrere Hundert Meter weit waten musste, um schwimmen zu können.
    Es gab keine richtige Brandung, keinen Sog. Nur das fade, laue Wasser, das ihm nicht den brennenden Schock versetzte, nach dem er sich gesehnt hatte. Vielleicht weiter draußen, dachte er - irgendwo musste es sie geben, die Kälte, die Unterströmungen, die Kraft. Kühl und nüchtern wog er ab, ob er weiter hinausschwimmen sollte, bis die Kräfte stärker wurden, stärker als er selbst.
    Barbara wartete im Hotel. Er hatte ihr nicht viel gesagt, bloß, dass er gezwungen war, dem Dänen bei einer Sache zu helfen, bevor sie ihr Geld bekamen.
    Krakau können wir vergessen, dachte er und pflügte mit langen Schwimmzügen durchs Wasser, so dass seine Muskeln trotzdem ein wenig zu brennen begannen. In Gedanken sah er noch immer die lächelnde Familie, Mutter, Vater und zwei Kinder, aber am Haus nagten bereits dicke braune Ratten, so dass es Stück für Stück verschwand. Inzwischen knabberte eine der Ratten sogar schon an den Beinen des kleinsten Kindes, ohne dass die Familie deshalb aber zu lächeln aufhörte.
    Abrupt ließ er die Arme ruhen und bewegte nur noch die
Beine, um sich über Wasser zu halten. Er wusste genau, woher die Ratten kamen. Er erinnerte sich noch lebhaft, wie sie weggehuscht waren, als er mit der Taschenlampe in den Stall kam und seine Großmutter neben dem Futtertrog fand. Niemand hatte sich später die Mühe gemacht, ihm zu sagen, woran sie gestorben war. Aber dass sie tot war, hatte sogar der siebenjährige Junge erkennen können.
    Als er so weit hinausgeschwommen war, dass er nicht mehr stehen konnte, begann er mit langen, methodischen Schwimmzügen zum Ufer zurückzuschwimmen. Er wollte den Ratten nicht das Feld überlassen. Außerdem gab es noch eine Spur, der er folgen konnte.
    Er fragte sich, was er mit seiner Kleidung machen sollte. Zu guter Letzt steckte er den Ärmel seines Hemdes in den Benzintank, damit er sich vollsaugte, und machte dann am Strand ein kleines Feuer. Er hatte nur vage Vorstellungen von DNA und mikroskopisch kleinen Gewebefasern, hoffte

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