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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Metalltische, Neonröhren und weiße Fliesen vorbereitet gewesen, oder auf Metallschalen in Kühlfächern wie in amerikanischen Filmen. Stattdessen empfand er das Licht in der Kapelle des Rechtsmedizinischen Instituts als freundlich und gedämpft. Auf beiden Seiten der Bahre standen Kerzenständer mit brennenden Kerzen. Ein glatt gestrichenes weißes Laken bedeckte die leblose Gestalt, die ihn erwartete.
    »Vielen Dank, dass Sie bereit waren zu kommen«, sagte die Polizistin, die ihn hergebracht hatte. Jan hatte ihren Namen nicht richtig mitbekommen. »Ihre Eltern leben in Jütland, deshalb ist es uns wichtig, eine Vorab-Identifizierung vorzunehmen, bevor wir sie bitten hierherzukommen.«
    »Natürlich«, sagte Jan. »Das ist doch selbstverständlich.«
    Der saure Geschmack von Erbrochenem brannte in seiner Speiseröhre, ehe sie das Laken vom Gesicht der Toten zog.
    Sie war ein Ding, eine Sache. Es überraschte ihn, wie absolut der Mensch mit dem Leben verschwunden war. Ihre Haut war wächsern und tot, und es war völlig ausgeschlossen, sich vorzustellen, dass sie nur schlief.
    »Das ist Karin«, bestätigte er, obgleich es ihm wie eine Lüge vorkam. Dieses Ding dort war nicht Karin.
    In seinen Grundfesten erschüttert sein . Ein Ausdruck, den man öfter hörte oder las. Erst jetzt begriff er, was das eigentlich bedeutete. Das Fundament war weggesprengt, und er hing in der Luft über einem Abgrund. Wie eine Zeichentrickfigur,
die noch nicht mitbekommen hatte, dass es Zeit zum Abstürzen war.
    »Wie gut kannten Sie Karin Kongsted?«, fragte die Polizistin, während sie Karins Gesicht wieder mit dem Laken bedeckte.
    »Sie ist im Laufe der Zeit eine gute Freundin geworden«, sagte er. »Seit etwa zwei Jahren bewohnt sie eine kleine Einlieger-Wohnung in unserem Haus. Deswegen sehen wir uns trotzdem häufiger, als wenn sie nur eine Angestellte wäre, die morgens kommt und abends wieder geht.«
    »Ist es richtig, dass sie als private Krankenschwester bei Ihnen eingestellt war? Warum brauchen Sie so jemand?«
    »Ich musste mich vor etwas mehr als zwei Jahren einer Nierenoperation unterziehen. In diesem Zusammenhang haben wir Karin kennengelernt. Und danach … Wir waren sehr froh, sie zu haben. Es kann immer noch zu Komplikationen kommen. Da ist es beruhigend, jemand wie sie in der Nähe zu haben. Sie ist … sie war sehr kompetent. Und warmherzig.«
    Es kam ihm vollkommen absurd vor, hier neben Karins Leiche zu stehen und so über sie zu reden. Aber die Polizistin machte keine Anstalten, ihn gehen zu lassen.
    »Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich Sie fragen muss, wie Sie den Abend verbracht haben? Wir haben Sie bei unserer Ankunft nicht zu Hause angetroffen.«
    »Nein, ich war nur kurz zu Hause und musste noch einmal zurück ins Büro. Ich leite ein ziemlich großes Unternehmen.«
    »Ja, das habe ich verstanden.«
    »Ich war so gegen 19 Uhr im Büro. Danach bin ich in eine unserer Firmenwohnungen gefahren und habe dort weitergearbeitet. Eigentlich wollte ich dort auch übernachten.«
    »Wo ist diese Wohnung?«
    »In der Laksegade.«
    »Könnten Sie später noch auf dem Präsidium vorbeikommen? Für die notwendige formelle Vernehmung?«

    Er überlegte schnell. Das Nokia-Handy lag noch immer in seiner Aktentasche. Und die stand in der Laksegade.
    »Ich würde ganz gerne zuerst zu meiner Frau fahren«, meinte er. »Sie ist sehr aufgewühlt. Danach komme ich natürlich ins Polizeipräsidium in Kopenhagen. Geht es morgen Vormittag?« Kooperationsbereitschaft zeigen. Das war wichtig.
    »Das wäre sehr freundlich«, sagte sie höflich. »Aber für die Ermittlungen ist die Mordkommission der Polizei von Nord-Seeland zuständig.« Sie zog eine Broschüre mit dem fesselnden Titel »Die Bürger und die Polizeireform« aus ihrer Tasche und kringelte mit einem Kugelschreiber eine Adresse ein, ehe sie sie ihm reichte. »Wenn Sie morgen um elf Uhr dort sein könnten?«
     
    Er fragte sich, ob er überwacht wurde. Das Taxi glitt durch den nächtlichen Verkehr wie ein Hai durch einen Fischschwarm, aber er konnte nicht sagen, ob ihnen ein Wagen folgte.
    Jetzt bloß nicht paranoid werden, sagte er sich. Zu diesem Zeitpunkt dürften sie kaum die Todesursache kennen, außerdem konnten sie ja wohl schlecht jeden beschatten, der irgendetwas mit Karin zu tun hatte. Trotzdem sah er sich nervös um, als er aus dem Taxi stieg, das gleich wieder davonfuhr und ihn auf einer ausgestorbenen Straße zurückließ. Über allem lag etwas Zeitloses - den

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