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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wir wissen nicht, wer den Schrei ausgestoßen hat. Unsere Zeugen haben niemand am Tatort gesehen, sie haben nur ein Auto losfahren hören. Was für ein Auto, wissen wir nicht. Wir können nicht sagen, ob es Ihre Frau war, die dort weggefahren ist, oder jemand anders. Die Gegend wird noch immer von einer Hundestaffel abgesucht. So haben wir auch das Handy Ihrer Frau gefunden.«
    Das Gefühl der Ungewissheit war ihm nicht unbekannt. Er hatte geübt, damit zu leben, in den langen Pausen, bis Nina sich endlich wieder bei ihm meldete, aber das hier war schlimmer. Konkreter. Näher dran. Ein dumpfer Zorn stieg in ihm auf. Sie waren doch verdammt noch mal nicht in Darfur. So etwas durfte hier nicht passieren, nicht jetzt, wo sie endlich zu Hause angekommen war.
    Der Kriminalkommissar nahm einen Schluck Kaffee.
    »Wie groß ist Ihre Frau?«, fragte er.
    »1,69«, antwortete Morten automatisch und verharrte mit dem Becher auf halbem Weg zum Mund, weil ihm durch den
Kopf schoss, dass sie das womöglich für ihre Identifizierung wissen wollten.
    Dann ging ihm auf, dass es auch noch eine andere Möglichkeit gab.
    »Sie glauben doch nicht … also, dass sie … etwas mit dem Mord zu tun hat?«
    »Dafür müssen wir die Obduktion abwarten. Aber die Schläge sind mit einer solchen Kraft ausgeführt worden, dass wir von einem männlichen Täter ausgehen.«
    Die Antwort erleichterte ihn nicht wirklich.
    Plötzlich stand Anton in der Tür. Auf der Stirn klebten ihm verschwitzte Haarsträhnen, und das etwas zu große Spiderman-Shirt war ihm über die Schulter gerutscht.
    »Ist Mama wieder da?«, fragte er und rieb sich mit dem Handrücken über den Kopf.
    »Noch nicht«, sagte Morten.
    Anton legte die Stirn in Falten, als er die beiden fremden Männer bemerkte, und als er die Uniform sah, riss er die Augen noch ein bisschen mehr auf. Sein Unterkiefer klappte herunter, aber er sagte nichts. Morten fühlte sich wie gelähmt, ihm fiel keine Erklärung ein, die ins Universum eines Siebenjährigen gepasst hätte.
    »Geh wieder ins Bett«, sagte er und gab sich Mühe, alltäglich und beiläufig zu klingen. Anton nickte einmal kurz. Während er in sein Zimmer lief, hörte man seine nackten Füße auf dem Flur.
    »Würden Sie Ihre Frau bitten, sich bei uns zu melden, falls sie nach Hause kommt?«, fragte der Kriminalkommissar. »Sie könnte eine wichtige Zeugin sein.«
    »Selbstverständlich«, sagte Morten mit einem wachsenden Gefühl von Ohnmacht.
    Falls sie nach Hause kommt.

     
    Der Verkehr auf dem Jaktvej wurde im grauen Morgenlicht allmählich dichter, aber die kleinen Seitenstraßen um die Fejøgade waren wie leer gefegt. Wahrscheinlich fiel ihr auch deshalb das Polizeiauto sofort auf. Auf den ersten Blick hielt sie es für ein Taxi. Es stand schräg auf dem Bürgersteig, als hätte der Fahrer keine Lust gehabt, das Fahrzeug ordentlich am Bordstein zu parken. Morten konnte diese Art von Schlamperei auf den Tod nicht leiden, und Nina stellte sich vor, wie er sich über den Falschparker aufregte, wenn er mit den Kindern aus dem Haus kam. In dem Moment sah sie das ausgeschaltete Blaulicht auf dem Autodach und das Licht hinter dem Wohnzimmerfenster in der oberen Etage. Um diese Zeit war Morten normalerweise nie wach, nicht einmal, wenn er wie heute mit den Kindern allein war. Er hatte recht flexible Arbeitszeiten, wenn er nicht auf den Bohrinseln war, und brauchte eigentlich nur dafür zu sorgen, Anton anzuziehen und bis 7.30 Uhr das Frühstück auf den Tisch zu bringen. Jetzt war es 5.58 Uhr.
    Nina rollte langsam an der Auffahrt vorbei. Vielleicht hatten die Polizisten ja auch nur in der stillen Seitenstraße vom Jaktvej geparkt, um abseits der Hektik einen Kaffee zu trinken. Aber wieso brannte Licht in ihrer Wohnung? Suchten sie womöglich nach ihr? Und wenn ja, wegen Karin oder wegen des Jungen?
    Sie konnte es kaum glauben. Der Gedanke, ihr warmes Bad aufzugeben, den Morgenkaffee und einen kurzen Augenblick
normalen, chaotischen Familienmorgen, erschöpfte sie. Sie parkte den Fiat umständlich in einer freien Parkbucht etwas weiter oben an der Straße und blieb mit den Händen auf dem Lenkrad und durchgetretener Kupplung sitzen.
    Ein Teil von ihr sehnte sich danach, das Ganze so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
    Die Übergabe des Jungen an die Polizei könnte ja ganz undramatisch verlaufen. Er bräuchte keine Angst zu haben, und wenn sie sich ein bisschen Mühe gab, könnte sie sich vielleicht sogar selbst davon überzeugen,

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