Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
beiden was anbahnen, bis er dir das blaue Auge verpasst hat. Steckt vielleicht doch mehr dahinter, als du zugeben willst?«
Ja, ein winziges bisschen mehr. »Was denn zum Beispiel?«
Sie zuckte mit betroffener Miene die Achseln. »Er hat dich doch nicht geschlagen oder so was?«
»Nein!«
»Na ja, ist halt nur so, dass die Benedicts ein bisschen komisch sind. Keiner kennt sie so richtig. Es wird zwar viel über sie geredet, aber soweit ich weiß, ist noch kein Mädchen aus der Schule je mit einem der Jungs ausgegangen. Keine Ahnung also, was für Geheimnisse sie da oben auf ihrem Hügel zu verbergen haben.«
Ich beschloss, mit ebensolchen Kanonen zurückzuschießen. »Meinst du vielleicht die garstige Oma, die sie in den Keller gesperrt haben? Oder die Voodoo-Puppen, die von den verwesenden Hälsen ihrer Opfer hängen?«
Sie machte ein betretenes Gesicht. »Na ja, das natürlich nicht.«
»Zed schlägt seine Freundinnen nicht.«
Sie stürzte sich wie ein Geier darauf. »Ach, dann bist du also doch seine Freundin!?«
Ups. »Nicht wirklich. Ich bin nur eine Freundin.«
»Ich muss gestehen, dass ich erleichtert bin, das zu hören.« Tina drapierte irgendein spinnwebenartiges Material um das Schwarze Brett. »Hast du schon gehört, dass Nelson sich Zed vorgeknöpft hat? Wegen deinem blauen Auge.«
»Das hat er nicht getan!«
»Ja doch, in der Jungs-Umkleide nach dem Basketballtraining.«
»Ich hatte ihm doch aber gesagt, dass es nicht Zeds Schuld war.«
»Nelson hat eben diesen überaktiven Beschützerinstinkt. Das ist dir bestimmt auch schon aufgefallen. Da schlagen die Gene seiner Großmutter durch, die wie ein Argus alles beobachtet, nur dass es sich bei ihm anders äußert.«
»Gab's Verletzte?«
»Nein. Der Coach ist dazwischengegangen. Beide müssen nachsitzen. Und Zed steht mal wieder ganz oben auf der Anwärterliste für einen Schulverweis.«
»Das habe ich nicht gewollt.«
»Was jetzt? Dass sich Jungs wegen dir prügeln? Du solltest dich geschmeichelt fühlen.«
»Das sind doch Idioten.«
»Na ja, es sind eben Jungs. Sich wie ein Idiot aufzuführen gehört zum Programm.«
Ich überkreuzte Zeige- und Mittelfinger. »Also, Zed und ich, wir mögen uns, aber weiter läuft da nichts.« Wenigstens nicht, solange wir noch in Lebensgefahr schwebten.
»Okay, verstehe. Dann bist du ja aus dem Schneider.« Aber ich merkte ihr an, dass sie nicht restlos überzeugt war. »Und hast du Lust, mit uns an Halloween rumzuziehen und um Süßkram zu betteln?«
»Ist das nicht eher was für kleine Kinder?«
»Das hält uns Große aber nicht davon ab, Party zu machen. Wir verkleiden uns, sehen uns das Spektakel in den Straßen an und dann hängen wir noch bei irgendjemandem zu Hause ab. Mom hat gesagt, dieses Jahr können alle zu uns kommen.«
»Und als was verkleidet ihr euch so?«
»Ach, ganz verschieden, als Hexe, Geist oder Voodoo-Puppe-die-vom-Hals-der-im-Keller-verwesenden-Omi-hängt - so was in der Art eben.«
»Klingt witzig.«
Peinlicherweise war Simon total Feuer und Flamme für die Sache mit dem Halloween-Kostüm. Er benutzte für seine Kunstwerke oft Textilien, und als ich den Fehler machte, ihm von der Halloween-Party zu erzählen, war er nicht mehr zu bremsen. Er nähte einen Skelett-Anzug aus einem phosphoreszierenden Stoff, der gespenstermäßig leuchtete, und bastelte eine täuschend echt aussehende Schädelmaske. Für Sally und sich machte er das gleiche Kostüm noch mal.
»Ihr wollt doch nicht etwa mit mir mitkommen?«, fragte ich erschrocken, als er die Masken am Morgen von Halloween in der Küche präsentierte.
»Natürlich.« Er zuckte nicht mit der Wimper, aber ich bemerkte das Lachen in seinen Augen. »Genau, was sich ein Teenager wünscht: dass die Eltern am ersten Abend nach vierzehn Tagen Hausarrest zur Party einer Freundin mitkommen.«
»Sag mir, dass er lügt!«, flehte ich Sally an.
»Natürlich lügt er. Wir haben uns nur bezüglich der amerikanischen Kostümierungstradition zu Halloween belesen und herausgefunden, dass es unsere Pflicht als ehrbare Bürger von Wrickenridge ist, die Haustür in möglichst schauriger Aufmachung zu öffnen und dann Karies unter den jüngeren Einwohnern zu verbreiten.«
»Ihr wollt die Süßigkeiten in diesen Kostümen verteilen?«
»Jepp.« Simon tätschelte liebevoll die Schädelmaske.
»Bin ich froh, dass ich nicht zu Hause bin!«
Meine Freunde trafen sich alle um sieben Uhr draußen vor dem Supermarkt, eine wild aussehende Horde von
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