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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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fünfundzwanzig Cent ein.«
    Als ich Fisher sage, daß er mich mal kreuzweise kann, ist die Verbindung bereits unterbrochen worden.

    Adrienne und ich dürfen für eine halbe Stunde nach draußen auf den Sportplatz im Hof. Wir umkreisen ihn einmal und dann, als uns kalt wird, stellen wir uns mit dem Rücken zum Wind an die hohe Ziegelmauer. Als der Wachmann hineingeht, raucht Adrienne ihre selbstgemachten Zigaretten: die verkohlten Reste von Orangenschalen aus dem Kantinenabfall, eingerollt in die hauchdünnen Seiten einer Ausgabe von Jane Eyre , die ihre Tante Lu ihr zum Geburtstag geschickt hat. Sie ist schon bei Seite 298.
    Ich setze mich im Schneidersitz auf das dürre Gras. Adrienne hockt hinter mir, raucht, ihre Hände in meinem Haar. Wenn sie rauskommt, möchte sie als Kosmetikerin arbeiten. »Keine dicken Zöpfe«, ermahne ich sie.
    Â»Beleidige mich nicht.« Sie macht einen neuen Scheitel, parallel zum ersten, und fängt an, klitzekleine Zöpfe zu flechten. »Du hast feines Haar.«
    Â»Danke.«
    Â»Das war kein Kompliment, Liebes. Sieh dir das an … fliegt mir aus den Fingern.«
    Sie zieht und zerrt, und mehrmals verziehe ich vor Schmerz das Gesicht. Wenn es doch nur so einfach wäre, den Wirrwarr in meinem Kopf zu ordnen. Ihre glimmende Zigarette, bis auf den letzten Zentimeter runtergeraucht, segelt über meine Schulter und landet auf dem Basketballfeld. »Fertig«, sagt Adrienne. »Du siehst umwerfend aus.«
    Natürlich kann ich das nicht sehen. Ich betaste die Knötchen und Wülste der Zöpfchen auf meiner Kopfhaut, und dann, vielleicht aus Gehässigkeit, fange ich an, Adriennes mühevolle Arbeit wieder zu lösen. Sie zuckt die Achseln und setzt sich dann neben mich. »Wolltest du immer schon Anwältin werden?«
    Â»Nein.« Wer will das schon? Welches Kind hält den Anwaltsberuf für verlockend? »Ich wollte der Mann im Zirkus sein, der die Löwen bändigt.«
    Â»Ach, wem sagst du das. Diese Glitzerkostüme waren schon klasse.«
    Aber darum war es mir nicht gegangen. Ich war hin und weg gewesen, wenn Gunther Gebel-Williams einen Käfig voller Raubtiere betrat und mit ihnen umging, als wären sie Hauskatzen. In dieser Hinsicht, so wird mir klar, ist mein Beruf gar nicht so weit davon entfernt. »Und du?«
    Â»Mein Daddy wollte, daß ich Mittelfeldspieler bei den Chicago Bulls werde. Ich dagegen hab von einer Karriere bei den Showgirls in Vegas geträumt.«
    Â»Aha.« Ich ziehe die Knie hoch, schlinge die Arme um sie. »Und was denkt dein Daddy heute über dich?«
    Â»Ich glaube, der denkt nicht mehr viel, zwei Meter unter der Erde.«
    Â»Tut mir leid.«
    Adrienne blickt auf. »Das muß es nicht.«
    Aber sie ist jetzt mit ihren Gedanken woanders, und verblüfft merke ich, daß ich sie zurückholen will. Mir fällt das Spiel ein, das ich immer mit Peter Eberhardt gespielt habe, und ich blicke Adrienne an. »Beste Seifenoper?« frage ich.
    Â»Hä?«
    Â»Spiel mit. Sag deine Meinung.«
    Â» Schatten der Leidenschaft «, erwidert Adrienne. »Wofür die Trottel im Männertrakt übrigens keinen Sinn haben, wäre ohnehin Perlen vor die Säue.«
    Â»Schlimmste Farbe?«
    Â»Siena-Braun. Was soll das überhaupt sein? Könnte man genausogut Kotze nennen.« Adrienne grinst, ein weißes Aufblitzen in ihrem Gesicht. »Beste Jeans?«
    Â»Levi’s 501. Häßlichste Wärterin?«
    Â»Ach, die eine, die nach Mitternacht kommt und sich ihren Schnurrbart bleichen lassen sollte. Und hast du gesehen, was die für einen dicken Hintern hat?«
    Wir müssen beide lachen, liegen ausgestreckt auf der kalten Erde und spüren den Winter in unsere Knochen kriechen. Als wir schließlich wieder zu Atem kommen, empfinde ich Leere in der Brust, das ungute Gefühl, daß ich ausgerechnet hier nun wirklich nicht fähig sein sollte, Freude zu empfinden. »Schönster Aufenthaltsort?« fragt Adrienne nach einem Moment.
    Auf der anderen Seite dieser Mauer. In meinem Bett, zu Hause. Irgendwo mit Nathaniel .
    Â»Vorher«, antworte ich, weil ich weiß, daß sie es verstehen wird.

    In einem Café in Biddeford sitzt Quentin auf einem Hocker, der selbst für einen Gnom zu klein wäre. Er nimmt einen Schluck aus seiner Tasse, und der heiße Kakao verbrennt ihm den Gaumen. »Mist«, schimpft er leise und hält

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